Düsseldorf/Essen. . Die SPD beantragt eine Sondersitzung, um die Kritik am Vorgehen der Regierung im Fall Sami A. zu hinterfragen. Richter werden vorsichtig
Die rechtswidrige Abschiebung des Islamisten Sami A. nach Tunesien wird den Landtag zum zweiten Mal während der parlamentarischen Sommerpause beschäftigten. Die SPD-Opposition beantragte am Freitag eine Sondersitzung des Rechtsausschusses, um die ungewöhnlich scharfe Kritik der Justiz am Vorgehen der Landesregierung zu hinterfragen.
Die Richter fühlen sich von den Behörden ausgetrickst. Der zuletzt in Bochum lebende mutmaßliche ehemalige Bin-Laden-Leibwächter A. war in den frühen Morgenstunden des 13. Juli per Charterflug abgeschoben worden, obwohl das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen ein vorläufiges Abschiebeverbot wegen einer möglichen Folterdrohung bestätigt hatte.
Das Oberverwaltungsgericht (OVG) hat nun die Rückholung des Islamisten auf Staatskosten letztinstanzlich angewiesen. „Wenn die Präsidentin des nordrhein-westfälischen Verfassungsgerichtshofs von einem Konflikt zwischen den Staatsgewalten spricht, ist das ein in der Geschichte der Bundesrepublik einmaliger Vorgang“, begründete SPD-Oppositionsführer Thomas Kutschaty die Sondersitzung. Justizminister Peter Biesenbach (CDU) müsse erklären, wie er die unabhängige Justiz schützen wolle.
Reul bittet um Entschuldigung
Die von Vize-Ministerpräsident Joachim Stamp (FDP)persönlich verantwortete Abschiebung und eine Empfehlung von Innenminister Herbert Reul (CDU) an die Gerichte, bei Entscheidungen das „Rechtsempfinden der Bevölkerung“ im Blick zu haben, erzürnen die Opposition. Inzwischen tobt eine bundesweite Debatte über das Rechtsstaatsverständnis der Regierung Laschet. Reul relativierte am Freitag seine Aussagen und bedauerte, missverstanden worden zu sein.
Im Fall Sami A. will das Land den Druck auf die Bundesregierung erhöhen, aus Tunesien eine diplomatische Zusicherung zu besorgen, dass dem Islamisten keine Folter drohe. Diese gilt als Voraussetzung dafür, dass das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen einem „Abänderungsantrag“ stattgibt und Sami A. nicht zurückkommt. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CDU) und Außenminister Heiko Maas (SPD) seien bislang erschreckend untätig geblieben, wird in Düsseldorf geklagt.
Richter werden vorsichtiger
An den Verwaltungsgerichten sind erste Folgen des Falls zu spüren. Ein Sprecher des Gerichts Gelsenkirchen sagte, im Umgang mit den Ausländerbehörden sei die Vorsicht größer geworden. Zu erwarten sei, dass Richter in laufenden Asylklageverfahren häufiger einen sogenannten Hängebeschluss erlassen, mit dem Abschiebe-Bemühungen gestoppt werden. „Alle Kollegen nehmen die Entwicklung um Sami A. sehr aufmerksam wahr“, hieß es. Ähnlich äußerte sich eine Sprecherin des Verwaltungsgerichts Köln. Am Verwaltungsgericht Düsseldorf wurde dagegen ein vertrauensvolles Verhältnis zu den Behörden unterstrichen. (mit stew)