Essen. . Die fünf bundesweiten Modellstädte können nun Ideen für eine klimaschonende Mobilität umsetzen. Essen erhält dafür rund 21 Millionen Euro.
Schnuppertickets für Neukunden, zusätzliche Buslinien und Sammelstellen für Paketdienste: Im Kampf gegen schlechte Stadtluft lässt die Bundesregierung in fünf Modellstädten Ideen testen, wie der Nahverkehr zu verbessern und die Lebensqualität zu steigern ist. Essen und Bonn, Mannheim, Reutlingen und Herrenberg erhalten dazu rund 130 Millionen Euro. Bis 2020 dürfen die fünf Kommunen verschiedene Maßnahmen testen, bei einem Eigenanteil von fünf Prozent. Was Erfolg hat, soll Vorbild für andere Städte sein.
Prämien und Taktung: Essen will den Nahverkehr ausbauen.
Essens Oberbürgermeister Thomas Kufen gibt zu: Der öffentliche Nahverkehr sei bisher die „Achillesferse“ Essens. Die Revierstadt mit knapp 600 .000 Einwohnern will rund 21 Millionen Euro vom Bund nutzen, um das zu ändern: Auf wichtigen Strecken sollen Busse in der Hauptverkehrszeit im Fünf- statt Zehn-Minuten-Takt fahren; unter anderem soll der Bahnhof Steele besser angebunden werden. Damit mehr Pendler ihr Auto stehen lassen, sind Prämien für Neukunden angedacht. Kufen sagte, die vom Bund geförderten Projekte seien ein Baustein, um die Luftqualität zu verbessern.
Ein Euro pro Tag: Bonn testet neues Schnupperticket.
Das größte Stück vom Förderkuchen erhält Bonn: Mit knapp 40 Millionen Euro soll unter anderem ein neues Schnupperticket getestet werden. Einen Euro pro Tag, also 365 Euro im Jahr, sollen Neukunden für das „Klima-Ticket“ im Jahresabo zahlen. Derzeit kostet das Jahres-Abo bis zu 900 Euro. Weitere Projekte: günstige Gruppentickets, mehr Busse und neue Linien. Um Pendler zu gewinnen, will Bonn mit Arbeitgebern sogar über Bürozeiten außerhalb der Hauptverkehrszeit sprechen. Bonns OB Ashok Sridharan (CDU) sagte, die Stadt mache einen „Schritt nach vorn auf dem Weg zu weniger Individualverkehr und damit bessere Luft“.
Was passiert außerhalb von NRW?
Wie Essen und Bonn setzt auch Reutlingen vor allem auf den Nahverkehr. Zehn neue Buslinien sollen in der baden-württembergischen Kreisstadt entstehen, mit über 100 neuen Haltestellen sollen Bürger auf kürzeren Wegen als bisher zum nächsten Bus gelangen.
Herrenberg, ebenfalls in Baden-Württemberg, will unter anderem technisch aufrüsten: Mit intelligenten Schildern soll das Tempo auf den Straßen an die Verkehrsdichte angepasst werden.
Mannheims Planer indes wollen Lieferverkehre aus den Wohnvierteln heraushalten. Paketdienste sollen kleinere Logistikzentren anfahren, von denen Pakete per Elektro-Lastenrad weiterverteilt werden.
Was kommt für andere heraus?
Die Modellstädte werden wissenschaftlich begleitet. Bereits für den Sommer 2019 ist eine erste Zwischenbilanz angekündigt, welchen Einfluss die einzelnen Maßnahmen auf die Luftqualität in den Städten haben. 2020 soll feststehen, welche Projekte auf andere Städte zu übertragen sind.
Was verspricht sich der Bund?
Die EU-Kommission hat Deutschland bereits seit einiger Zeit im Visir, weil in Deutschland wiederholt die seit 2010 geltenden EU-Grenzwerte für Stickoxide überschritten worden sind. 2017 war die Luft an Standorten in 66 Städten stärker belastet als erlaubt. Verantwortlich gemacht werden vor allem Dieselautos. Um Fahrverbote zu verhindern, solle die Luft verbessert werden, wie Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) am Dienstag in Berlin erklärte. Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) betonte, damit Bus und Bahn überzeugen, müsse der Nahverkehr gut ausgebaut und preislich attraktiv sein.
Was wurde aus der Idee eines kostenlosen Nahverkehrs?
Vor allem die Idee vom Gratis-ÖPNV sorgte anfangs für Furore. Das Thema wurde aber schnell abgeräumt. Allgemein wird bezweifelt, dass sich solch ein Vorhaben schnell umsetzen lässt, weil der Nahverkehr schon jetzt an der Belastungsgrenze ist. Auch die Frage der Finanzierung wäre völlig offen. In Essen hätten nach ersten Berechnungen 100 Millionen Euro jährlich an Ticketeinnahmen ersetzt werden müssen. (mit dpa)