Gauland: „Potenzial der AfD liegt deutlich über 20 Prozent“
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Berlin. AfD-Chef Gauland spricht im Interview über Provokationen seiner Partei – und darüber, dass er sie nicht in der Oppositionsrolle sieht.
Der Aufstieg der AfD – allen Skandalen zum Trotz – hat die etablierten Parteien tief verunsichert. Alexander Gauland, Partei- und Fraktionschef, sieht die AfD mittelfristig in der Bundesregierung.
Ihr niedersächsischer Parteifreund Lars Steinke hat das gescheiterte Hitler-Attentat vom 20. Juli 1944 als beschämenden Versuch eines Feiglings diffamiert. Stauffenberg sei „ein Verräter“. Hat die AfD ein gestörtes Verhältnis zur deutschen Geschichte, Herr Gauland?
Alexander Gauland: Überhaupt nicht. Herr Steinke hat einfach Schwachsinn geredet. Stauffenberg ist eine der ganz großen positiven Gestalten der deutschen Geschichte. Er ist ein Held. Wir haben im Bundesvorstand einstimmig den niedersächsischen Landesverband aufgefordert, ein Parteiausschlussverfahren gegen Herrn Steinke in Gang zu setzen.
Gauland: Ich habe eine Metapher verwendet, die für mich absolut verächtlichmachend ist. Vogelschiss bedeutet für mich nichts in irgendeiner Weise Positives.
Sie haben die NS-Zeit bagatellisiert.
Gauland: Ich wollte in dieser Rede, die natürlich keiner nachgelesen hat, die große deutsch-jüdische Tradition in Erinnerung rufen, die Hitler fast vernichtet hat. Aus meinen Ausführungen kann man überhaupt keine Bagatellisierung der nationalsozialistischen Zeit ableiten.
Gauland: Das ist Ihre These, sie stimmt aber nicht. Es gibt Fehler, die gemacht werden. Aber es ist nicht bewusst provoziert. Der Vogelschiss war keineswegs als Provokation gemeint.
Haben Sie Gedenkstätten nationalsozialistischer Vernichtungslager besucht?
Gauland: Ich war ein paarmal in Buchenwald, und ich war vor Kurzem auf einer Heimfahrt in Ravensbrück. Voriges Jahr war ich mit meiner Lebensgefährtin in Krakau, da haben wir auch Auschwitz besucht.
Porträts von Holocaust-Überlebenden
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Was haben Sie dabei empfunden?
Gauland: Diese Fragen kann man nicht richtig beantworten.
Warum nicht?
Gauland: Was soll man sagen, das nicht falsch klingt? Diese sechs Millionen ermordeten Juden kratzt dem deutschen Volk niemand mehr von der Haut. Das ist alles furchtbar. An einer bestimmten Stelle, zwischen 1933 und 1945, ist die deutsche Geschichte völlig schiefgelaufen. Da können Sie nur verzweifeln, aber rational nichts mehr dazu sagen.
Die CSU provoziert mit Vokabeln, die sie von der AfD geliehen hat – „Asyltourismus“ ist so ein Beispiel. Wird Ihre Partei jetzt noch radikaler, um sich davon abzuheben?
Gauland: Ich weiß nicht, warum Sie unterstellen, dass wir radikaler werden müssen. Wir sagen, was ist. Der Begriff „Asyltourismus“ ist richtig. Das Flüchtlingsabkommen mit Spanien kann Herr Seehofer nur als geringen Erfolg verbuchen. Leute, die in Spanien an Land gehen, werden einfach keinen Asylantrag mehr stellen. Die werden nach Deutschland durchgereicht, und dann haben wir das gleiche Problem. Die CSU hat es schwer mit zwei Koalitionspartnern, die gar keine Asylwende wollen. Als kleiner Partner kann die CSU das nicht drehen. Das verschafft ihr ein Glaubwürdigkeitsproblem, das die AfD nicht hat.
Die AfD kann auch nichts drehen, solange sie nicht regiert.
Gauland: Wir liefern schon, weil wir die anderen treiben. Richtig ist, dass wir als Oppositionspartei verwaltungsmäßig nichts umsetzen können. Ich finde schon, dass wir mittelfristig Verantwortung übernehmen sollten. Dafür muss die AfD aber deutlich stärker werden. Ich bin gegen eine Regierungsbeteiligung als sehr viel kleinerer Partner, weil man dann nichts durchsetzen kann.
Wollen Sie stärkste Kraft in Deutschland werden?
Gauland: Die Umfragen sehen uns zwischen 17 und 20 Prozent. Das Potenzial der AfD liegt deutlich über 20 Prozent. Solange Frau Merkel Bundeskanzlerin ist, wird es immer größer.
Gauland: Meine Kollegin Alice Weidel hat sich einmal mit Herrn Bannon getroffen. Ich sehe aber keine großen Möglichkeiten einer Zusammenarbeit. Wir sind nicht in Amerika. Die Interessenlage der systemoppositionellen Parteien in Europa ist doch sehr unterschiedlich. Die AfD hat engere Kontakte nur nach Österreich zur FPÖ. Frauke Petry wollte immer mit dem französischen Front National zusammenarbeiten, das hat ja auch nicht funktioniert. Herrn Bannon wird es nicht gelingen, zur Europawahl eine Allianz von Gleichgesinnten zu schmieden.
Gauland: Erstens weiß ich gar nichts darüber. Und zweitens halte ich das für eine Ente, die eine Autorin in die Welt gesetzt hat, um ihr Buch populär zu machen.
Gauland: Ich schätze Herrn Maaßen als objektiven Spitzenbeamten. Ich halte es für frei erfunden, dass er Frauke Petry irgendwelche Ratschläge gegeben hat. Im Bundesvorstand hat sie mal so getan, als ob sie sich mit Maaßen getroffen hätte. Ich weiß es nicht. Vielleicht war es nur ein Telefongespräch.
Haben Sie selbst schon mit dem Verfassungsschutz gesprochen?
Gauland: Ja, ich habe ein Gespräch mit Herrn Maaßen geführt. Ich hatte ein konkretes Anliegen. Es gab den Verdacht, dass wir in der Fraktion einen Einflussagenten Moskaus hätten. Das wollte ich klären. Herr Maaßen hat mir nach einer gewissen Prüfung gesagt, dass da nichts dran ist. Das war aber auch alles.
Gauland: Um Gottes Willen! Es wäre mir peinlich, mit Herrn Maaßen so etwas zu besprechen.
Wie viele Rechtsextreme könnte der Verfassungsschutz in der AfD entdecken?
Gauland: Es gibt in der AfD keine Rechtsextremen.
Wie definieren Sie rechtsextrem?
Gauland: Rechtsextreme sind Menschen, die die Verfassung abschaffen und das Führerprinzip einführen wollen. Die Adolf Hitler heute noch für einen großen Staatsmann halten und bedauern, dass der Nationalsozialismus an den Alliierten gescheitert ist.
In der AfD denkt niemand so?
Gauland: Nein. Wir sind anarchisch, demokratisch und halten am Grundgesetz fest. Mit Führerprinzip und Nationalsozialismus haben wir nichts zu tun.
Der Fall des türkischstämmigen Fußballspielers Mesut Özil, der aus der deutschen Nationalmannschaft zurückgetreten ist, hat eine neue Debatte über Rassismus im Alltag ausgelöst. Wie finden Sie diese Diskussion?
Gauland: Die sollen Fußball spielen – alles andere interessiert mich nicht besonders. Ich glaube nicht, dass der Rassismus in Deutschland stärker geworden ist. Özil unterstützt begeistert den türkischen Staatspräsidenten, die deutsche Nationalhymne singt er aber nicht mit. Da kann man als Fußballfan schon fragen: Ist das alles richtig? Mit Rassismus hat das nichts zu tun.
Erdogan-Foto hin oder her – ist Özil nicht ein Vorbild für Integration?
Gauland: Ich glaube nicht, dass jemand wie Özil, der den autokratischen türkischen Staatspräsidenten bedingungslos unterstützt, ein Vorbild für Integration in Deutschland ist.
Wäre es Ihnen lieber, wenn in der deutschen Nationalmannschaft keine Spieler mit ausländischen Wurzeln wären?
Gauland: Das ist mir völlig egal. Wir können zur Mannschaft von 1954 mit Fritz und Ottmar Walter nicht zurückkehren. Das ist nun einmal so.
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