Düsseldorf. Ein SPD-Abgeordneter hat nach der Abschiebung von Sami A. Anzeige gegen den Bundesinnenminister erstattet: Seehofer habe das Gericht ignoriert.

Der in Bochum lebende, mutmaßliche frühere Leibwächter des Terroristenführers Osama bin Laden ist am Freitagmorgen von Düsseldorf aus überraschend in einer Chartermaschine in sein Heimatland Tunesien abgeschoben worden. Die Übergabe des 42-Jährigen Sami A. an die tunesischen Behörden löste in NRW ein politisches Beben aus. Denn das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen hatte gestern klargestellt, dass eine Abschiebung des als Gefährder eingestuften Mannes juristisch nicht möglich sei. Am Abend entschieden die Richter sogar, der Tunesier müsse auf Staatskosten wieder nach Deutschland zurückgeholt werden

Sami A. drohen nämlich nach Einschätzung des Gerichts in Tunesien Folter und unmenschliche Behandlung. Das Fax aus Gelsenkirchen mit dem Verbot der Abschiebung soll am Freitagmorgen um 8.10 Uhr beim zuständigen Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) eingegangen sein. Zu diesem Zeitpunkt war das Flugzeug, in dem der Tunesier in Begleitung von vier Bundespolizisten saß, aber schon längst in der Luft.

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„Das Bamf hat mit dieser Abschiebeentscheidung den Rechtsstaat vorgeführt“, schimpfte Wolfgang Thewes, Vorsitzender Richter am Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, im Gespräch mit dieser Redaktion. Die Rückführung von Sami A. sei über alle üblichen behördlichen Kommunikationsregeln hinweg durchgeführt worden.

Sami A. lebte mit Familie in Bochum

Völlig unklar ist aber, ob und wie neben dem Bamf auch andere Behörden und politische Akteure für den Fall verantwortlich sind. Das Bamf untersteht dem Bundesinnenministerium von Horst Seehofer (CSU). Eine Sprecherin sagte gestern, das Bundesinnenministerium habe die Behörden in NRW bei der Abschiebung lediglich unterstützt. Die Entscheidung darüber liege in Nordrhein-Westfalen. Horst Seehofer sei erst informiert worden, als Sami A. schon in Tunis gelandet war. Das Auswärtige Amt erklärte, es sei bereits am Montag über die bevorstehende Abschiebung informiert worden.

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Das NRW-Flüchtlingsministerium beteuerte gestern, es habe nichts von dem Abschiebeverbot des Verwaltungsgerichtes gewusst. Die Ausreise des Gefährders sei rechtmäßig, denn das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen habe am Mittwoch selbst eine Abschiebeandrohung des Ausländeramtes der Stadt Bochum für rechtmäßig erklärt. Mit diesem Wissen sei Sami A. außer Landes gebracht worden. Das Gericht konterte umgehend: Eine Abschiebungsandrohung bedeute nicht, dass tatsächlich abgeschoben werde.

Sami A., der bisher mit Frau und Kindern in Bochum lebte, sollte schon seit 2014 abgeschoben werden, wehrte sich aber bisher erfolgreich vor Gericht dagegen. Im Juni hob das Bamf ein Abschiebeverbot auf. Der Tunesier kam daraufhin in ein Abschiebegefängnis.

„Abschiebung verletzt rechtsstaatliche Prinzipien“

NRW-Flüchtlingsminister Joachim Stamp (FDP) wurde am Freitag gegen 9 Uhr auf die Abschiebung des Tunesiers angesprochen. Stamp wollte eigentlich nur über die Kita-Finanzierung in NRW sprechen. Kein Wort über Sami A. kam ihm über die Lippen. „Wir äußern uns grundsätzlich nicht zu laufenden Verfahren“, sagte der Minister. Zu diesem Zeitpunkt war der Mann, der eine Zeit lang zur Leibgarde des Al-Kaida-Chefs Osama bin Laden gehört haben soll, schon den tunesischen Behörden übergeben worden. Während das Ministerium sich am liebsten gar nicht auf das heikle Thema eingelassen hätte, schäumten die Juristen im Verwaltungsgericht Gelsenkirchen vor Wut: Sami A. hätte nie abgeschoben werden dürfen.

Mehrfach sei das Bamf um eine „Stillhaltezusage“ gebeten worden, sagte Richter Wolfgang Thewes. Das bedeutet, es wird nicht abgeschoben, bis das Gericht endgültig entscheidet. Das Bamf habe diese Bitte ignoriert und auch keinen exakten Termin für die Abschiebung genannt. Das Gericht Gelsenkirchen will nun erreichen, dass Sami A. wieder zurück nach Deutschland gebracht werden muss. Die Abschiebung sei „grob rechtswidrig“ gewesen, erklärte das Gericht. Sie „verletzt grundlegende rechtsstaatliche Prinzipien“.

Ein SPD-Landtagsabgeordneter erstattet Strafanzeige

Der SPD-Landtagsabgeordnete Sven Wolf erstattete gestern Strafanzeige gegen Horst Seehofer. Der Bundesinnenminister habe wiederholt gesgt, er wolle den Fall zur Chefsache machen. Wolf vermutet, Seehofer habe die Entscheidung des Gelsenkirchener Gerichts bewusst ignoriert, um Sami A. abschieben zu können.

Berivan Aymaz aus der Grünen-Landtagsfraktion sagte, Seehofer verlasse den Boden unserer Verfassung, wenn er Gerichtsentscheide ignoriere: „Wer so offen die Axt an die Grundfesten des Rechtsstaates legt, ist für unser Land nicht mehr tragbar.“

Der in Bochum lebende mutmaßliche Ex-Leibwächter des Terroristenführers Osama bin Laden ist am Freitagmorgen von Düsseldorf aus überraschend in sein Heimatland Tunesien abgeschoben worden. Die Übergabe des 42-Jährigen Sami A. an die tunesischen Behörden löste ein politisches Beben aus.

Sami A. hätte laut Verwaltungsgericht Gelsenkirchen nie abgeschoben werden dürfen

Denn das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen hatte klargestellt, dass eine Abschiebung des als Gefährder eingestuften Mannes juristisch nicht möglich sei. Am Freitagabend entschieden die Richter sogar, der Tunesier müsse auf Staatskosten wieder nach Deutschland zurückgeholt werden.

Nach Einschätzung des Gerichts drohen Sami A. in Tunesien nämlich Folter und unmenschliche Behandlung. Das Fax aus Gelsenkirchen mit dem Verbot der Abschiebung soll am Freitagmorgen um 8.10 Uhr beim zuständigen Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) eingegangen sein. Zu dieser Zeit war das Flugzeug, in dem der Tunesier und vier Bundespolizisten saßen, längst in der Luft.

„Das Bamf hat mit dieser Abschiebeentscheidung den Rechtsstaat vorgeführt“, schimpfte Wolfgang Thewes, Vorsitzender Richter am Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, im Gespräch mit der WAZ. Die Rückführung von Sami A. sei an allen üblichen behördlichen Kommunikationsregeln vorbei durchgeführt worden.

NRW-Flüchtlingsministerium beteuert, es habe nichts von dem Abschiebeverbot gewusst

Völlig unklar ist, wer für den Fall letztendlich verantwortlich ist. Das Bamf untersteht Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU). Eine Sprecherin sagte gestern, das Bundesinnenministerium habe die Behörden in NRW bei der Abschiebung lediglich unterstützt. Die Entscheidung darüber liege in NRW.

Das NRW-Flüchtlingsministerium beteuerte am Donnerstag, es habe nichts von dem Abschiebeverbot des Verwaltungsgerichtes gewusst. Die Ausreise des Gefährders sei rechtmäßig, denn das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen habe am Mittwoch selbst eine Abschiebeandrohung des Ausländeramtes der Stadt Bochum für rechtmäßig erklärt. Das Gericht konterte umgehend: Eine Abschiebungeandrohung bedeute nicht, dass tatsächlich abgeschoben werde.