Minister Heil: Rentenpaket soll neues Vertrauen schaffen
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Berlin. Die Sorge vor Altersarmut wächst – Arbeitsminister Heil hat nun konkrete Pläne für eine Rentenreform vorgelegt. Doch wem nützt sie?
Bundessozialminister Hubertus Heil (SPD) will mit einem ersten Renten-Reformpaket verbreiteten Sorgen um eine gute Absicherung im Alter entgegentreten. Der „Rentenpakt für Deutschland“ habe die Aufgabe, neues Vertrauen zu schaffen, sagte Heil am Freitag bei der Vorstellung seiner Pläne in Berlin. Dabei gelte es, die älter werdende Gesellschaft zusammenzuhalten und nicht zuzulassen, dass Generationen gegeneinander ausgespielt würden.
Geplant ist eine Stabilisierung von Rentenniveau und Beitragssatz bis 2025. Dazu soll ein höherer Bundeszuschuss dienen; zudem soll ein „Demografiefonds“ für den Fall eingerichtet werden, dass die Einhaltung dieser Ziele bedroht ist. Daneben sind Verbesserungen für ältere Mütter vorgesehen. Die genaue Ausgestaltung ließ Heil offen und verwies auf Diskussionen in den Koalitionsfraktionen.
Experten kritisierten bereits im Vorfeld, dass die Reform nicht zielgerichtet gegen das Risiko von Altersarmut vorgehe – ein Überblick:
Gibt es Altersarmut in Deutschland?
Ja. „Wenn man im Alter arm ist, hat man weniger Chancen als in jüngeren Jahren, da wieder herauszukommen“, sagt der Berliner Wirtschaftsforscher Bruno Kaltenborn, der den Bereich für das Forschungsnetzwerk der Deutschen Rentenversicherung untersucht hat. „Aber wenn man sieht, wer auf Grundsicherung angewiesen ist, ist Armut im Alter jetzt und in absehbarer Zeit nicht das Kernproblem.“
In der Generation 65 plus sind 3,1 Prozent der Menschen auf Grundsicherung angewiesen. Bei den Kindern unter 15 Jahren sind es 15, bei den Erwerbstätigen 8 Prozent. Kaltenborn: „Man sollte das Risiko von
Davor warnen Gewerkschaften und Sozialverbände. Ohne Umsteuern bei der Rente droht laut Verdi-Chef Frank Bsirske Altersarmut bis „weit in die Mitte der Gesellschaft“. Kaltenborn dagegen hat errechnet, ob es einen Anstieg geben wird oder Altersarmut eher konstant bleibt: „Wahrscheinlich ist eher die Variante einer konstanten Entwicklung als die eines Anstiegs.“
Der Anteil der Grundsicherungsbezieher dürfte bis 2030 bei den Senioren unter oder um 5 Prozent bleiben. „Unter dem derzeitigen Bevölkerungsschnitt“, wie Jochen Pimpertz betont, Experte für soziale Sicherung beim arbeitgebernahen Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln.
Warum dürfte Altersarmut nicht stärker zunehmen?
Einen von mehreren Gründen sehen die Experten im Anstieg der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung – und damit auch der Rentenanwartschaften – bei den Frauen. „Deshalb werden künftig voraussichtlich mehr Frauen als früher im Alter über die Armutsschwelle kommen“, sagt Pimpertz.
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Was sind die Rentenziele der Koalition?
Stabilität bei der Rente, Honorierung von Lebensleistung und Bekämpfung von Altersarmut – so der Koalitionsvertrag. Anfang 2019 soll das erste Rentenpaket, das Heil nun präsentiert hat, in Kraft treten: mit Verbesserungen für Erwerbsminderungsrentner, der Mütterrente II, Entlastung von Geringverdienern bei Sozialbeiträgen und einer Stabilisierung von Rentenniveau und Beitragssatz bis 2025.
Eine Grundrente für langjährig Versicherte und weitere Weichenstellungen für die Zeit nach 2025 sollen folgen. Denn die Gesellschaft wird älter. Auf weniger Einzahler kommen mehr Empfänger. Diese leben im Schnitt länger.
Wer profitiert von der Mütterrente II?
Laut Deutschem Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) 24 Prozent der heutigen Rentnerinnen. Mütter sollen ein drittes Jahr Kindererziehungszeit für jedes vor 1992 geborene Kind erhalten. Insgesamt würde das Haushaltsnettoeinkommen der begünstigten Rentnerhaushalte um knapp vier Prozent steigen, bei Rentnerinnen mit wenig Einkommen um bis zu sechs Prozent.
Pimpertz merkt an, nur kinderreiche Frauen in rentennahen Jahrgängen könnten profitieren – dabei auch Frauen mit hohen Renten oder wohlhabenden Partnern. „Systematische Armutsvorbeugung gibt es dabei nicht.“
Wie werten Experten die Pläne für Erwerbsminderung?
Positiv. „Menschen mit einer geringen Erwerbsminderungsrente sind sehr häufig auf Grundsicherung angewiesen“, sagt Kaltenborn. So bezogen diese Menschen, die wegen Krankheit in Frührente müssen, 2016 zu 14,7 Prozent Grundsicherung – Altersrentner nur zu 2,6 Prozent. Künftig sollen Betroffene, anders als heute, so behandelt werden, wie wenn sie bis zum aktuellen Rentenalter gearbeitet hätten. „Als Vorbeugung vor Armut sinnvoll“, wie Pimpertz sagt.
Was bringt die Stabilisierung des Rentenniveaus?
Wenn ein Absinken dieses Verhältnisses von Rente zu Durchschnittslohn verhindert werden kann, dann kommt das allen Rentnern zugute – je nach ihrer Rente prozentual unterschiedlich. Das Niveau soll bis 2025 auf heutigem Stand von 48 Prozent gesichert werden. Allerdings soll es laut offiziellen Prognosen auch ohne Reform bis 2024 bei 48 Prozent bleiben und erst dann absinken. „Es ist keine Stellschraube, mit der gezielt Altersarmut bekämpft werden kann“, wie Kaltenborn sagt.
Was ist für Geringverdiener geplant – und wie könnte das wirken?
Die Einkommensgrenze, ab der volle Sozialbeiträge gezahlt werden müssen, soll von 850 auf 1300 Euro steigen. IW-Forscher Pimpertz meint: Die Renten-Anwartschaften der Betroffenen werden bei reduzierten Beiträgen aufgewertet – „aber bei einem unverändert hohen Rententopf nur zu Lasten der heutigen Beitragszahler mit höheren Verdiensten“.
Auch Mittelverdiener müssten Verbesserungen für Geringverdiener finanzieren. Pimpertz: „Profitieren würden allerdings auch Geringverdiener, die etwa Teilzeit machen, aber bereits in einem wohlhabenden Haushalt leben.“
Wie teuer könnte die Reform werden?
Der Vorstandsvorsitzende der Rentenversicherung, Alexander Gunkel, hat kürzlich vor zusätzlich nötigen Steuermitteln in zweistelliger Milliardenhöhe bis 2025 gewarnt. Der Beitragssatz soll bis dahin nicht über 20 Prozent steigen.
Heil plant Einrichtung von „Demografiefonds“
Die Pläne von Heil sehen auch die Schaffung eines sogenannten „Demografiefonds“ vor. Dieser solle im Bundeshaushalt von 2021 bis 2024 mit jährlich zwei Milliarden Euro aufgebaut werden, berichteten die Zeitungen des Redaktionsnetzwerkes Deutschland (RND) unter Berufung auf den Entwurf für das erste Rentenpaket der großen Koalition.
Der Fonds solle die Beitragsobergrenze „auch im Fall unvorhergesehener Entwicklungen“ absichern. „Da die Stabilität des Systems der Altersvorsorge der ganzen Gesellschaft nutzt und daher eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist, übernimmt der Staat über einen erhöhten Zuschuss aus Steuern zusätzliche Verantwortung“, zitierte das RND aus dem Papier. (dpa)
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