Düsseldorf. . Die „Einwohnerveredelung“ beschert großen Kommunen mehr Hilfe vom Land als den kleinen. Der ländliche Raum begehrt dagegen auf.
Große und kleine Städte sehen sich gern als Teil der „kommunalen Familie“. Das klingt nach Geborgenheit, Verständnis, gegenseitiger Hilfe. Aber wie in vielen richtigen Familien können auch in der kommunalen die Fetzen fliegen. In NRW passiert das gerade. Die Liebe zur Verwandtschaft ist am Ende, denn es geht ums Geld.
Städtetag: Große Städte, große Sorgen
Große Städte benötigen viel mehr Geld pro Einwohner vom Land als kleine Gemeinden und Landkreise. Das ist der Standpunkt des Städtetages NRW, der sich selbst als Stimme der Großstädte versteht. Seit vielen Jahren bekommen Dortmund, Essen, Köln und die anderen Metropolen mehr Mittel pro Bürger aus der Gemeindefinanzierung des Landes als zum Beispiel Plettenberg oder Selm.
Dafür gibt es gute Gründe, sagen die Großen: „Diese Städte müssen pro Kopf mehr ausgeben“, erklärt Städtetag-Geschäftsführer Helmut Dedy. Zum Beispiel für Sozialleistungen, weil in diesen Städten mehr ärmere Bürger leben, für Universitäten, Theater, Zoos und Messen, von denen die umliegenden kleinen Städte gleich mit profitieren. Diese Bevorteilung der großen Städte wird „Einwohnerveredelung“ genannt.
Gemeindebund: Kleinstädte brauchen mehr Geld
Für den anderen Teil der kommunalen Familie – kleinere Städte und Landkreise – ist dieses System Quatsch. „Schafft die Einwohnerveredelung ab“, rufen in dieser Woche der Landkreistag und der Städte- und Gemeindebund in NRW. „Es gibt keinen Grund dafür, dass das Land zum Beispiel für einen Bürger der Stadt Köln 154 Euro zahlt und für den Einwohner einer Stadt in der Eifel nur 100 Euro“, behaupten die Verbands-Chefs Martin Klein und Bernd Jürgen Schneider.
Die Liste ihrer Argumente ist genauso lang wie die der Großstädte: Wenn eine Kommune viele Einwohner hat, dann müssten öffentliche Leistungen doch billiger werden. Viele Straßen sowie Bahnhöfe und Unis würden gar nicht von den Kommunen finanziert. Und die Kultur? „Wenn sich eine Stadt ein Theater, ein Konzerthaus oder einen Zoo leisten möchte, dann sollte sie auch die Kosten dafür tragen können“, sagt Kai Zentara vom Landkreistag NRW.
Der Städtetag hat in dieser Woche eine Broschüre veröffentlicht, um für die „Einwohnerveredelung“ zu werben. Die konkurrierenden Verbände konterten nur Stunden später: NRW sei gar nicht, wie behauptet, das „Land der großen Städte“. Denn elf von 18 Millionen Einwohnern lebten in kleineren und mittleren Gemeinden.
Land kündigt zwölf Milliarden Euro an Zuweisungen an
Dass der Kampf der Städte um die Finanzverteilung gerade jetzt aufflammt, ist kein Zufall. Seit CDU und FDP regieren, wittert der ländliche Raum Morgenluft, denn vor allem hier hat Schwarz-Gelb die Wahl gewonnen. Und im Koalitionsvertrag steht ein Satz, der in Städten wie Bochum, Duisburg und Düsseldorf Alarm auslöst: „Wir werden die Einwohnerveredelung wissenschaftlich überprüfen“. Gleich danach heißt es zwar, dass die Koalition den besonderen Bedarf großer Städte nicht grundsätzlich in Frage stellt. Aber es könnte ja sein, dass der ländliche Raum am Ende mehr Geld pro Bürger bekommt als heute.
NRW-Kommunalministerin Ina Scharrenbach (CDU) legte sich gestern ins Zeug, um den Großstädten die Sorgen zu nehmen. Es wäre „lebensfremd“, die „Einwohnerveredelung“ abzuschaffen. Insgesamt dürften sich die Kommunen auf mehr Geld freuen, die Großen noch mehr als die Kleinen. Städte und Gemeinden in NRW erhalten nächstes Jahr dank der guten Konjunktur mehr als zwölf Milliarden Euro aus dem Gemeindefinanzierungsgesetz des Landes. Das ist gegenüber 2018 ein Plus von 3,1 Prozent oder rund 365 Millionen Euro, so Scharrenbach. Die kommunale Familie könne sich also wieder vertragen.