München. Beate Zschäpe hat im NSU-Prozess ihr Schlusswort gesprochen. Das Urteil gegen die mutmaßliche Terroristin soll am 11. Juli fallen.
An 436 Tagen saß Beate Zschäpe im Gerichtssaal A 101 des Münchner Justizzentrums. Während mehr als fünf Jahre vergingen, traten Hunderten Zeugen, Anwälte und Angehörige auf, die sie beschuldigten, sie anklagten, sie verfluchten – und sie immer wieder baten, endlich zu reden.
Mal hörte die Hauptangeklagte zu, mal nicht. Mal schaute sie in ihren Computer, mal schwatzte sie mit ihrem aktuellen Anwalt des Vertrauens. Oft blickte sie einfach ins Leere. Wenn sie sich äußerte, dann schriftlich über ihre Verteidigung. Nur einmal, im September 2016, als sie sich von der rechtsextremistischen Szene distanzierte, sprach sie selbst.
An diesem Dienstag, am 437. Tag des NSU-Prozesses, sagt nun Zschäpe: „Ich bin ein mitfühlender Mensch und habe sehr wohl den Schmerz, die Verzweiflung und die Wut der Angehörigen sehen und spüren können.“ Dies belaste sie bis heute. „Die Tatsache, dass ich für Sie alle hier im Saal nicht die gewünschte Reaktion darauf gezeigt habe, heißt nicht, dass ich nicht erschüttert und entsetzt bin.“
Zschäpe soll Mittäterin in zehn Mordfällen sein
Es sind die letzten Worte der Hauptangeklagten am letzten Verhandlungstag. Das Urteil soll am 11. Juli verkündet werden. Dann wird Zschäpe, die 43 ist und seit sechseinhalb Jahren in Untersuchungshaft sitzt, endlich erfahren, ob sie auch den Rest ihres Lebens im Gefängnis und in Sicherungsverwahrung zubringen muss.
Die Frau aus Jena ist der Mittäterschaft an allen Verbrechen des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ angeklagt. Dazu gehören zehn Morde, zwei Sprengstoffanschläge und 15 Raubüberfälle. Hinzu kommen schwere
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und mehrfacher Mordversuch.
Zschäpe versucht ein schmales Lächeln
Begonnen hat Tag 437 wie alle 436 davor. Die etwa 100 Prozessbeteiligten versammeln sich im Gerichtssaal. Die Empore ist mit Zuschauern und Journalisten voll besetzt.
Beate Zschäpe hat ihre langen, schwarzen Haare nach hinten gebunden. Ihr Auftritt wirkt betont schlicht: Dunkle Jacke, dunkle Hose, langer, dünner Schal mit Blumenmuster. Im Unterschied zum Prozessbeginn, als sie sich vor den Kameras wegduckte, schaut sie direkt in die Objektive und versucht ein schmales Lächeln.
Als Fotografen und Fernsehteams den Saal verlassen haben, öffnet sich die Tür hinter der Richterbank. Aus ihr heraus tritt der Vorsitzende Richter Manfred Götzl, es folgt das knappe halbe Dutzend Richter, das mit ihm die fünf Jahre durchgehalten hat. Nachdem die Verhandlung eröffnet und ein letzter Antrag der Nebenklage abgelehnt ist, erteilt er Beate Zschäpe das Wort.
Zschäpe spricht Angehörigen ihr Mitgefühl aus
Die Hauptangeklagte hat sich vier A4-Blätter zurechtgelegt. Sie liest ruhig ab, akzentuiert, ihr thüringischer Dialekt klingt kaum durch. „Hoher Senat, sehr geehrte Anwesende, heute möchte ich die Chance der letzten Worte nutzen, was mir zugegebenermaßen nicht leicht fällt“, beginnt sie. „Ich habe das Gefühl, dass jedes Wort, und sei es von mir noch so ernst und ehrlich gemeint, falsch beziehungsweise mir nachteilig ausgelegt wird.“ Trotzdem wolle sie nun reden.
Die fünf Jahre des Prozesses, sagt sie, seien „die Fortsetzung eines Lern- und Entwicklungsprozesses“ gewesen. Die Opfer, die Tatortfotos, die Zeugen: Das alles habe sie „Stück für Stück das ganze Ausmaß der schrecklichen Taten von Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos“ erfassen lassen.
„Ich wollte und will die Verantwortung für die Dinge übernehmen, die ich selbst verschuldet habe und entschuldige mich für all das Leid, was ich verursacht habe. Ich bedauere, dass die Angehörigen der Mordopfer einen geliebten Menschen verloren haben. Sie haben mein aufrichtiges Mitgefühl.“
Zschäpe will gesamtes Wissen kundgetan haben
Sie selbst, sagt Zschäpe, habe alles gesagt, was sie wusste. „Ich hatte und habe keine Kenntnis darüber, warum gerade diese Menschen und Tatorte ausgewählt worden.“ Es gebe für sie keinerlei Grund mehr, irgendetwas zu verschweigen. „Ich möchte nur noch eines: Einen Abschluss finden.“
Die Meinung und Gesinnung der Mitangeklagten akzeptiere sie. Für sie habe aber rechtes Gedankengut „gar keine Bedeutung mehr“.
Schließlich wendet sich Zschäpe an das Gericht: „Bitte verurteilen Sie mich nicht stellvertretend für etwas, was ich weder gewollt noch getan habe.“
Zwei Mitangeklagte zeigen Reue
Danach sprechen noch kurz ihre Mitangeklagten. Carsten S., der die Mordwaffe beschafft haben soll, sagt mit tränenerstickter Stimme: „Ich war damals nicht ich selbst.“ Er werde die Schuld, die er auf sich lud, nie abtragen können.
Ralf Wohlleben, der die Waffenbeschaffung in Auftrag gegeben haben soll, verweist trocken auf seine früheren Erklärungen. Darin hatte er sich zu seiner rechtsradikalen Gesinnung bekannt.
Holger G., der das Trio unter anderem mit falschen Papieren unterstützt hatte, liest einige Sätze ab. Er wolle sich aufrichtig bei den Hinterbliebenen dafür entschuldigen, „dass auch mein Handeln dafür verantwortlich war, ihr Leid zu vergrößern“. Nur André E. äußert sich nicht.
Anwalt der Nebenklage: „Das war nur heiße Luft“
Dann ist der NSU-Prozess vorbei. Nur das Urteil fehlt; vieles spricht dafür, dass das Gericht in größeren Teilen der Anklage folgt. Oder hat daran Beate Zschäpe am Ende noch etwas ändern können?
Die Anwälte der Nebenklage, die am Mittag in der Sonne vor dem Justizzentrum am Münchner Stiglmaierplatz stehen,
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„Das war nur heiße Luft“, sagt Mehmet Daimagüler, der die Angehörigen mehrerer türkischstämmiger Mordopfer vertritt. „Sie spielt immer noch die Unschuld vom Lande.“
Zschäpe konnte teilweise überzeugen
Bernd Behnke äußert sich differenzierter. Er vertritt den Bruder des 2004 in Rostock getöteten Mehmet Turgut. So, sagt er, habe er Beate Zschäpe noch nie reden gehört. Zumindest manches habe glaubhaft geklungen. Allerdings, das sagt Behnke auch: „Man kann nicht in fünf Minuten nachholen, was man in fünf Jahren versäumt hat.“
Am Mittwoch in einer Woche, ab 9.30 Uhr, will das Gericht in München seine Entscheidung verkünden.