Ruhrgebiet. . Nach ruhigeren Monaten sind die Kriminellen wieder häufiger unterwegs, die Geldautomaten sprengen. Und offenbar rüsten sie auf, so die Polizei.

Am 14. März 2015 haben sie beim Landeskriminalamt (LKA) in Düsseldorf eine neue Kategorie für eine bestimmte Straftat angelegt, was sie ja nur tun, wenn sie nichts Gutes erwarten: Es war die Sprengung von Geldautomaten. „Das Delikt war natürlich nicht neu“, erinnert sich LKA-Sprecher Mario Lorenz: „Aber da haben wir gesehen, da bahnt sich was an.“

Exakt 350 Sprengungen stehen inzwischen in dieser Rubrik, grob die Hälfte davon, wenn man es nicht allzu genau nimmt, ist gescheitert. Ebenso wie die Hoffnung der Polizei, die Zahlen gingen nach 2017 abermals zurück: „Das Jahr fing ruhig an, aber in den letzten Wochen ist wieder mehr los“, sagt der LKA-Mann.

Polizei hört Explosion am Telefon mit

Donnerstag in Solingen: Eine Zeugin sieht zwei verdächtige Männer nachts im Vorraum einer Bank hantieren und ruft die Polizei an – die Männer sehen das, schalten richtig und verschwinden. Donnerstag in Gütersloh: Unbekannte Täter sprengen einen Geldautomaten, den eine überaus zuversichtliche Bank wegen Umbauarbeiten kurzerhand in einem Container untergebracht hatte.

Und Donnerstag in Iserlohn: Auch hier meldet ein Anrufer verdächtiges Treiben vor einer Filiale – während die Polizei ihm noch zuhört, hört sie dann auch den einschlägigen Knall mit.

„Wir befinden uns da in einem Wettlauf“

Ein Massendelikt, dessen man nicht Herr wird, auch nicht im vierten Jahr? Nicht mit Färbepatronen, Gasdetektoren, Kunstnebel und kompletten Schließungen von Vorräumen zur Nacht? „Wenn es die eine Sicherung gäbe, dann hätten wir die alle“, sagt Steffen Pörner, der Geschäftsführer des „Bankenverbandes NRW“. Und: „Wir haben kräftig investiert. Wir befinden uns da in einem Wettlauf. Je mehr wir sichern, desto mehr Brutalität zieht ein.“

Ein gesprengter Geldautomat liegt in Bonn in Trümmern.
Ein gesprengter Geldautomat liegt in Bonn in Trümmern. © Axel Vogel / dpa

Mülheim: Hinter Flatterband steht ein gesprengter Geldautomat.
Mülheim: Hinter Flatterband steht ein gesprengter Geldautomat. © Roland Weihrauch / dpa

Pörner spricht einen Trend an, den die Polizei sorgenvoll beobachtet: Die Täter rüsten auf. Gas kommt weniger zum Einsatz, Sprengstoff häufiger. Von einer „immer heftigeren Wirkung“ der Sprengungen spricht der Polizist Lorenz. Da wirkt ein Grundgesetz von Eigentumsdelikten: Man schaukelt einander gerne hoch. „Leute machen was, wir reagieren, dann reagieren wieder sie, und so weiter.“

Die Schwachstelle ist der Schlitz

Die Schwachstelle ist der Schlitz, den der Automat nun mal haben muss: Denn wo etwas heraus kommt, Geld, da kann man auch immer etwas einführen. Und rumms!

Auch die sonstigen Umstände machen die Panzerknackerei so fürchterlich beliebt: Sie geschieht zur besten Tiefschlafzeit, in der Regel ist niemand in der Nähe, sie bleibt bis zum abschließenden Knall meist unbemerkt und ist überhaupt in drei bis fünf Minuten erledigt – so schnell ist keine Polizei.

Hubschrauber abgehängt

Auch nicht bei der Verfolgung: Die größte Gruppe von Verdächtigen, rund 250 Niederländer marokkanischer Herkunft aus der Gegend von Utrecht und Amsterdam, ist überaus gut motorisiert. Mit 300 PS auf einer freien Holland-Autobahn kann kein normaler Streifenwagen mithalten. „Das ist Teil der Masche“, sagt ein Polizist.

Nicht nur ein NRW-Problem: Dieser Automat wurde vor fünf Wochen in Hessen angegangen.
Nicht nur ein NRW-Problem: Dieser Automat wurde vor fünf Wochen in Hessen angegangen. © Alexander Keutz / dpa

Sie haben ja auch schon Hubschrauber abgehängt. Relativ häufig verschwinden Täter aber auch mit Rollern oder Mofas – und dann eher nicht in die Niederlande. Dafür lassen sie sich gut verstecken.

Ein Drama auch für die Nachbarn

Für Nachbarn ist die Sprengung des Geldautomaten von nebenan oft ein Drama. Auch bei ihnen können Teile der Fassade einstürzen oder Scheiben platzen – und Splitter fliegen dann durchs Zimmer.

Sarah S., die über einer heimgesuchten Sparkasse im Münsterland wohnte, hat später gesagt: „Wir sind ausgezogen. Man hat sich nicht mehr sicher gefühlt. Und die Kleine war noch jahrelang schreckhaft, wenn etwas geknallt hat.“ So wirkt das Delikt, das in diesem Jahr in Nordrhein-Westfalen 25-mal begangen wurde und 30-mal versucht. Das ist zumindest der Stand von Montagabend.