Bochum. . Beim SPD-Parteitag in Bochum wird ein Generationswechsel vollzogen. Der 40-jährige Sebastian Hartmann will die Partei in die Zukunft führen.

Es ist, als wollte die NRW-SPD ihre jüngere, schmerzvolle Vergangenheit abschütteln. „Auf nach vorne“ war das Motto des Parteitags in Bochum – und was das Spitzenpersonal betrifft, geht es tatsächlich voran. Sebastian Hartmann, ein 40 Jahre junger, bisher wenig bekannter Bundestagsabgeordneter aus Bornheim bei Bonn, löst das SPD-Urgestein Michael Groschek an der Parteispitze ab. Das neue Führungsteam ist im Schnitt etwa 40 Jahre alt. Die Jungen sollen es anders und besser machen als die Alten. Sie wissen nur noch nicht, wie.

Flucht nach vorn

„Die Willy-wählen-Generation hat ihre Erzählungen auserzählt“, sagte Übergangs-Parteichef Michael Groschek zum Abschied. Er hatte das Ruder vor einem Jahr in einer Notsituation übernommen, nachdem Hannelore Kraft nach der verlorenen Landtagswahl alle Parteiämter niedergelegt hatte. Die frühere Ministerpräsidentin ließ sich in Bochum erst gar nicht blicken, und keiner der Redner nahm ihren Namen in den Mund.

Ex-SPD-Chef Martin Schulz, der 2017 wie Kraft einen enormen Rückhalt genoss, war zwar in der Halle, dort aber nur eine Randerscheinung. Bundesumweltministerin Svenja Schulze erwähnte den einstigen Hoffnungsträger in ihrer Eröffnungsrede nur nebenbei. Sebastian Hartmann ist ein so harter Schnitt fast schon peinlich: „Wir wählen Menschen mit 100 Prozent und nach ein paar Wochen kennen wir ihre Namen nicht mehr.“
Aber auch er blickt ungern zurück: „Für die Sozialdemokratie liegt der beste Tag immer in der Zukunft.“ Bezeichnend auch: Marc Herter aus Hamm, einer der bisher einflussreichsten Köpfe der NRW-SPD, bekam bei seiner Wahl zum Vize-Vorsitzenden nur magere 67,6 Prozent der Stimmen. Wenn sich der Parteinachwuchs (Jusos) nicht mit dem Wunsch durchgesetzt hätte, fünf statt vier Stellvertreter zu wählen, wäre Herter womöglich gescheitert.

Solides Wahlergebnis

Hartmanns Bewerbungsrede war zwar voller Plattitüden wie „Wir können das“ oder „Lasst uns endlich anfangen“, aber auch reich an Kampfansagen („Die große, linke Sammlungsbewegung in Deutschland ist die SPD“) und Mutmach-Botschaften („Niemand will eine traurige Truppe“). Für einen Kandidaten, der bis vor Kurzem in der NRW-SPD noch ein unbeschriebenes Blatt war, ist ein Wahlergebnis von 80,3 Prozent mehr als ordentlich. Den „Vertrauensvorschuss“, um den Hartmann bat, gewährten ihm 367 Delegierte. 69 stimmten mit Nein, 21 enthielten sich.

„Rot pur“

Der neue Vorsitzende sendete ein paar klassische sozialdemokratische Botschaften, rief nach Aufstiegschancen für alle, nach mehr Gerechtigkeit, weniger Gier und „rot pur“. Der „solidarische Sozialstaat“, der ihm vorschwebt, soll von den Reichen durch neue Steuern auf Vermögen und Erbschaften spürbar mitfinanziert werden. Hartmann schlug ein soziales Reformprogramm („New Deal“) vor. So brauche NRW in Zeiten des Wohnungsmangels eine öffentliche Wohnungsbaugesellschaft. 100 „Bürgerhäuser“ sollen entstehen, damit Menschen in ihren Städten wieder Treffpunkte haben. Eine „Bad Bank“ für die Altschulden der Städte müsse gegründet werden. Seiner Partei empfahl er, eine andere Sprache zu sprechen, um wieder auf Augenhöhe mit den Bürgern zu kommen.

Feindbild CSU

Viele Redner arbeiteten sich am Asyl-Streit zwischen CDU und CSU ab. SPD-Chefin Andrea Nahles attackierte CSU-Chef Horst Seehofer. Der Bundesinnenminister sei eine „Gefahr für Europa“. Seehofer und Bayerns Ministerpräsident Markus Söder seien „auf dem Weg zum deutschen Brexit“. Hartmann nannte die CSU „AfD in Lederhosen“.

Die stärksten Sprüche

„Donald Trump ist ein Feigling und Lump“ (SPD-Chefin Andrea Nahles über die Trennung illegal Eingewanderter in den USA von ihren Kindern). „Unter Gerhard Schröder wäre so ein Innenminister längst Gassigeher mit Hund“ (Ex-NRW-SPD-Chef Michael Groschek über den Aufstand von Horst Seehofer gegen die Kanzlerin.

Nadja Lüders neue SPD-Generalsekretärin

Neue Generalsekretärin ist Nadja Lüders (77,5 Prozent der Stimmen). Sie riet ihrer Partei, es nicht mehr allen recht machen zu wollen: „Wer nach allen Seiten offen ist, ist nicht ganz dicht.“ Als neuer Schatzmeister setzte sich André Stinka (Dülmen) knapp mit 50,8 Prozent gegen Ibrahim Yetim aus Moers durch.

Stellvertretende Vorsitzende sind Veith Lemmen, Juso aus Dortmund (77,3%), Dörte Schall (89,7%, Bonn), Sören Link (83,5 %, Duisburg), Elvan Korkmaz (82,4 %, Gütersloh) und Marc Herter (67,6 %, Hamm).