Essen. Mit der strategischen Fahndung kann die Polizei ohne Verdacht Personen anhalten, nach ihrer Identität befragen sowie Fahrzeuge durchsuchen.

Was ist laut Gesetzentwurf geplant?

Mit dem Instrument der strategischen Fahndung kann die Polizei ohne Verdacht Personen anhalten, nach ihrer Identität befragen sowie Fahrzeuge und Taschen in Augenschein nehmen. Eine Durchsuchung ist durch diesen Paragrafen nicht abgedeckt.

Eine strategische Fahndung ist erlaubt, wenn es „tatsächliche Anhaltspunkte“ für eine Straftat gibt oder ein unerlaubter Aufenthalt unterbunden werden soll. Zuvor muss die Fahndung von einer Polizeibehörde, jedoch nicht von einem Richter, schriftlich genehmigt werden.

„Wenn die polizeiliche Erfahrung es gebietet, an bestimmten Stellen besonders genau hinzusehen und mehr zu kontrollieren, dann sollten wir unseren Beamtinnen und Beamten rechtsstaatliche und rechtssichere Handlungsgrundlagen verschaffen, um genau das zu tun", erläuterte NRW-Innenminister Herbert Reul. In anderen Bundesländern seien verdachtsunabhängige Kontrollen längst üblich. Man habe darauf geachtet, dass die NRW-Reglung allen europa- und verfassungsrechtlichen Vorgaben entspreche.

Kritiker setzen die strategische Fahndung mit der Schleierfahndung gleich. Allerdings gibt es einen Unterschied: Bei der strategischen Fahndung muss es einen konkreten Anlass für Kontrollen geben. Bayern führte als erstes Bundesland bereits 1995 die Schleierfahndung ein. Die meisten anderen Bundesländer zogen nach. Nur NRW, Bremen und Berlin hielten sich bislang zurück.

Contra: Was spricht dafür?

Das Land erhofft sich von dieser Gesetzesverschärfung eine stärkere Handhabe gegen reisende Einbrecherbanden. „Gerade für reisende Täter, die über die Grenze einsickern und wieder ausreisen, brauchen wir die strategische Fahndung dringend", forderte Reul.

Auch die Polizeigewerkschaft NRW begrüßt die verschärften Kontrollmöglichkeiten. Zur Bekämpfung von grenzüberschreitender Kriminalität und internationalem Terrorismus hätten bislang rechtliche Grundlagen gefehlt, die durch die strategische Fahndung nun klarer definiert würden, so die Gewerkschaft.

Um der Terrorgefahr zu begegnen, bedürfe es rechtlicher Instrumente, um bereits im Vorfeld von Gefahren tätig zu werden, betont auch Staatsrechtler Professor Kyrill-Alexander Schwarz. Der Gelehrte räumt ein, dass die strategische Fahndung zwar ein starker Eingriff in die Grundrechte bedeute, da viele Unbeteiligte betroffen sein können, jedoch bestünden keine verfassungsrechtlichen Bedenken. „Identitätskontrollen stellen nach allgemeiner Ansicht einen überaus geringfügigen Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit dar“, so Schwarz. Zudem dürften nur Kontrollen erfolgen, wenn ein größeres abstraktes Gefährdungspotential bestehe.

Contra: Was spricht dagegen?

Für die Grünen in NRW ist die sogenannte strategische Fahndung „nichts anderes als die Schleierfahndung, mit der alle Bürger unter Generalverdacht gestellt werden.“ Das Bündnis „Nein zum neuen Polizeigesetz NRW“ sieht diese Maßnahme als „einen Freibrief für Racial Profiling (Anm. der Redaktion: Ein auf äußerliche Merkmale basierendes Agieren der Polizei). Auch die Menschenrechtsorganisation Amnesty International teilt diese Befürchtung.

Die NRW-Datenschutz-Beauftragte Helga Block kritisiert, dass die Maßnahme fast ausschließlich Unbeteiligte treffen würde. „Die vorgesehene Neuregelung geht über die meisten bisherigen landesrechtlichen Pendants weit hinaus, indem sie eben nicht nur das Anhalten und Befragen, sondern gerade auch Identitätsfeststellungen zulässt“, so Block. Es bestünde die Gefahr, dass sich Bürger nicht mehr ohne unzumutbare Einschränkungen im öffentlichen Raum bewegen können, ohne in eine Kontrolle geraten zu können.

Staatsrechtler Professor Christoph Gusy pocht auf eine klare Begrenzung der Gebiete in denen potentielle Gefahr besteht. Hier müsse die Landesregierung noch nachbessern.