Essen. Telefone abhören und Handy-Chats mitlesen. Das soll laut dem derzeitigen Gesetzentwurf künftig erlaubt sein. Bürgerrechtler warnen.
Was ist laut Gesetzentwurf geplant?
Grundlegende Erneuerungen für die Polizeiarbeit sollen im Bereich der Telekommunikation entstehen. Die einfache Telekommunikationsüberwachung (TKÜ) – also das Abhören von Telefonen – ist bislang nur erlaubt, wenn bereits Straftaten vorliegen. Mit der Änderung soll die Überwachung auch präventiv möglich sein und zwar, wenn sich aus den Ermittlungen Hinweise auf bevorstehende Straftaten ergeben.
Der zusätzliche Paragraf §20c soll der Polizei künftig auch erlauben, auf Nachrichten von Messenger-Diensten zuzugreifen und diese mitzulesen, bevor sie verschlüsselt werden. Damit würde die sogenannte Quellen-TKÜ neu in das Polizeigesetz aufgenommen werden. „Wenn Terroristen ihre Anschläge längst per WhatsApp planen, können wir uns kein Polizeigesetz aus dem Wählscheiben-Zeitalter leisten“, sagt Reul.
Telefone abhören und Handychats mitlesen ist mit Inkrafttreten der Gesetzesreformen in Bayern (2018), Baden-Württemberg (2017) und Sachsen-Anhalt (2018) bereits möglich. In Bremen, Niedersachsen und Sachsen sorgen die TKÜ und die Quellen-TKÜ für Diskussionsstoff.
Pro: Was spricht dafür?
Vertreter der Polizisten in NRW begrüßen den Vorstoß als überfällig. „Wir leben im Digitalzeitalter. Straftaten werden heute über das Internet und mit Hilfe von Messenger-Diensten vorbereitet und begangen“, sagt Michael Mertens, Landesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP). Die Polizei müsse Zugriff auf die digitalen Spuren der Täter haben. Ähnlich äußert sich die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) NRW: Der Erfolg der „Gefahrenabwehr“ dürfe nicht davon abhängen, ob eine SMS oder eine Whatsapp-Nachricht als Kommunikationsmittel diene.
Contra: Was spricht dagegen?
Das Bündnis „Nein zum neuen Polizeigesetz“ bezweifelt, dass eine Erweiterung der Überwachung zu besseren Ermittlungsergebnissen führt. „Im Fall Anis Amri haben wir erleben müssen, dass es nicht fehlende Überwachungsmittel waren, die zur Katastrophe geführt haben, sondern gravierende Ermittlungsfehler“, sagt Sprecherin Irene Thesing.
„Der Staat macht sich selbst zum Hacker“, kritisiert die Grünen-Abgeordnete Verena Schäffer die geplante Neuregelung. Zum Auslesen verschlüsselter Nachrichten muss die Polizei technisch gesehen einen Trojaner auf die Endgeräte installieren. Dafür müssen Sicherheitslücken auf Telefonen, Laptops oder Servern genutzt werden – das könnte laut Rechtswissenschaftler Christoph Gusy ein Eingriff in das IT-Grundrecht sein. Zudem sei abzuwägen, inwieweit das Menschenrecht auf Privatsphäre dabei verletzt wird.