Essen. Der Begriff “drohende Gefahr“ ist einer der umstrittensten Kritikpunkte im aktuellen Entwurf. Experten meinen, der Begriff sei zu weit gefasst.

Was ist im Gesetzentwurf geplant?

Der Gesetzentwurf sieht neue Kategorien vor, die der Polizei deutlich erweiterte Eingriffsbefugnisse geben: So reichen künftig für präventive Maßnahmen gegen Gefährder bereits eine „drohende terroristische Gefahr“ (Paragraf § 8 Abs. 5) oder die „drohende Gefahr“ (Paragraf 8 Abs. 4) einer Straftat von erheblicher Bedeutung aus.

Der Polizei sollen nicht länger die Hände gebunden sein, wenn bestimmte Tatsachen und Verhaltensweisen wahrscheinlich machen, dass etwa ein Anschlag bevorsteht - aber eben noch nicht klar ist, wann, wo und auf welche Weise die Tat begangen werden könnte. Bislang konnte Polizei in solchen Fällen nur gegen islamistische Gefährder vorgehen, wenn sie gerichtsfest eine konkrete Gefahrenlage darlegen konnte. Das war oft unmöglich.

Pro: Was spricht dafür?

Die neuen Begriffe der „drohenden Gefahr“ und der „drohenden terroristischen Gefahr“ sind der Hebel für die Polizei, frühzeitig Überwachungsmaßnahmen wie die elektronische Fußfesseln oder das Ausspähen von WhatsApp-Chats einzuleiten oder gar Unterbindungsgewahrsam zu verhängen. Da alle Maßnahmen nach maximal 48 Stunden von einem Richter abgesegnet werden müssen, bleibt die Polizei dennoch unter Rechtfertigungszwang.

Allgemeine Erfahrungswerte der Ordnungshüter reichen nicht aus. Gerade bei Terroranschlägen der Vergangenheit zeigte sich, dass die Ermittler häufig die Attentäter genauestens kannten und jeden ihrer Schritte überwachten, jedoch nie den richtigen Zeitpunkt zum rechtsstaatlich korrekten Eingriff fanden. Auch bei schwersten Straftaten wie der Herstellung und Verbreitung von Kinderpornografie sind die Spezialisten des Landeskriminalamtes den Netzwerken meist auf der Spur, können aber nicht einschreiten. Das soll sich mit dem neuen Polizeigesetz ändern.

Contra: Was spricht dagegen?

Die Landesdatenschutzbeauftragte sieht in den neuen Gefahrenbegriffen eine „massive Ausweitung polizeilicher Befugnisse“. Künftig reicht bereits eine auf Tatsachen gestützte Annahme aus, um gegen Personen vorzugehen, die noch gar nicht straffällig geworden sind. Das Polizeirecht werde mehr und mehr dem Recht der Nachrichtendienste angeglichen.

Die Abwehr einer konkreten Gefahr wird tatsächlich umgewandelt in die Abwehr einer prognostizierten Gefahr. Das Bundesverfassungsgericht hat zwar 2016 grundsätzlich grünes Licht für eine solche Vorverlagerung der Eingriffsbefugnisse gegeben, aber zugleich enge Grenzen gesetzt. So muss die Polizei im Einzelfall ihre Gefahrenprognose mit Tatsachen unterfüttern, außerdem muss es um überragend wichtige Rechtsgüter oder internationalen Terrorismus gehen.

Wenn zum Beispiel ein Gefährder aus einem Terror-Ausbildungscamp im Ausland nach Deutschland einreist und Hinweise der Nachrichtendienste auf eine bevorstehende Anschlagsplanung hindeuten, könnte gegen den Verdächtigen präventiv vorgegangen werden. Es ist rechtlich umstritten, ob das NRW-Polizeigesetz die neuen Gefahrenbegriffe zu allgemein gehalten hat und damit der Polizei künftig viel zu viel Interpretationsspielraum schenkt.