Istanbul. Als der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan im April die regulär erst Ende 2019 fälligen Parlaments- und Präsidentenwahlen überstürzt um 17 Monate auf den 24. Juni vorzog, reagierte er nicht nur auf die Finanzkrise. Er hoffte auch, die Oppositionsparteien zu überrumpeln. Inzwischen haben diese aber Tritt gefasst. Sie gehen mit einer Strategie in die Wahlen, die Erdogan sowohl bei der Präsidenten- als auch bei der Parlamentswahl in die Defensive bringen könnte.

Als der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan im April die regulär erst Ende 2019 fälligen Parlaments- und Präsidentenwahlen überstürzt um 17 Monate auf den 24. Juni vorzog, reagierte er nicht nur auf die Finanzkrise. Er hoffte auch, die Oppositionsparteien zu überrumpeln. Inzwischen haben diese aber Tritt gefasst. Sie gehen mit einer Strategie in die Wahlen, die Erdogan sowohl bei der Präsidenten- als auch bei der Parlamentswahl in die Defensive bringen könnte.

Die Wahlen markieren den Übergang von der parlamentarischen Demokratie zum Präsidialsystem. Gewinnt Erdogan, zementiert er seine Macht. Anfängliche Überlegungen mehrerer Oppositionsparteien, ei-nen gemeinsamen Präsidentschaftskandidaten gegen Erdogan aufzustellen, scheiterten schnell. Jetzt treten nicht weniger als fünf Konkurrenten gegen den Staatschef an. Das ist schlecht für Erdogan. Ihm drohen Stimmenverluste an vielen Fronten.

Muharrem Ince repräsentiert als Kandidat der größten Oppositionspartei CHP nicht nur das kemalistische Bürgertum. Er spricht als ein Mann vom linken Flügel der CHP auch jüngere Wähler und liberale Intellektuelle an und umwirbt gemäßigte kurdische Wähler. Derweil wildert die frühere Innenministerin Meral Aksener im nationalistischen Lager. Ince und Aksener kommen in jüngsten Umfragen zusammen auf rund 40 Prozent der Stimmen. Dann ist da der Kurdenpolitiker Selahattin Demirtas, der unter den Kurden im Südosten viele Anhänger hat. Obwohl Demirtas in Untersuchungshaft sitzt, sehen ihn Meinungsforscher bei etwa acht Prozent. Selbst um seine Kern-Klientel, die religiös-konservativen Wähler, muss Erdogan diesmal kämpfen: Temel Karamollaoglu bewirbt sich für die islamistische Glückseligkeitspartei um das Präsidentenamt. Er kommt bei seinen Kundgebungen immer wieder auf Themen wie Korruption und Vetternwirtschaft unter Erdogan zu sprechen. Der fünfte Bewerber ist der Linksnationalist Dogu Perincek.

In den meisten Umfragen liegt Erdogan unter der 50-Prozent-Marke. Verfehlt er die absolute Mehrheit, müsste er sich am 8. Juli einer Stichwahl stellen. Dann könnten sich die Oppositionswähler um einen Kandidaten sammeln. Wahrscheinlichster Kandidat ist der CHP-Politiker Ince. Aksener und Karamollaoglu haben ihm bereits ihre Unterstützung zugesichert.

Analog dazu paktieren vier Oppositionsparteien auch bei der Parlamentswahl. Die CHP ging mit der IYI-Partei von Meral Aksener, der Glückseligkeitspartei (SP) und der Demokratischen Partei (DP) eine Wahl-Allianz ein, das Bündnis der Nation. Es garantiert auch der SP und der DP, die auf sich allein gestellt an der Zehnprozenthürde scheitern würden, im Huckepackverfahren den Einzug ins Parlament.