Themar. Auf dem Land in Thüringen treffen sich Hunderte Neonazis zu einem großen Rechtsrock-Festival. Der Protest dagegen ist bunt und kreativ.
Selbst eine Hüpfburg steht nur ein paar Meter vom Festivalgelände der Neonazis im südthüringischen Themar entfernt. Ein paar Kinder spielen darauf, während Banner und Schilder mit Aufschriften wie „Schöner Leben ohne Nazis“ oder „Nazis raus“ in unmittelbaren Umgebung hängen. Jede Stunde stellen Menschen weiße Kreuze auf, die an Opfer rechter Gewalt in Deutschland erinnern. Themar hat etwa 2800 Einwohner. Nach Polizeiangaben beteiligen sich am Samstag etwa 300 Menschen an den Gegenprotesten.
In Themar hatte 2017 das wohl bundesweit größte Rechtsrock-Konzert stattgefunden. Damals waren nach Polizeiangaben etwa 6000 Neonazis in die Stadt gekommen. Am Samstag schätzte die Polizei die Zahl der rechtsextremen Konzertbesucher auf 1000 Männer und Frauen. Der Thüringer Verfassungsschutz hatte im Vorfeld der Veranstaltung erklärt, die Sicherheitsbehörden rechneten mit bis zu 1500 rechtsextremen Festivalbesuchern aus dem gesamten Bundesgebiet sowie dem europäischen Ausland. Das Festival soll bis Sonntag dauern.
Polizei registrierte bis Samstagabend 44 Straftaten
Bis Samstagabend registrierte die Polizei einer Sprecherin zufolge 44 Straftaten und Ordnungswidrigkeiten, darunter 24 Verstöße wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen. In fünf Fällen wird wegen des Zeigens des Hitlergrußes ermittelt. Am Freitag wurde laut Polizei zudem ein Journalist leicht verletzt. Ein mutmaßlich rechter 33-Jähriger soll dem 27-Jährigen ins Gesicht geschlagen haben.
So wehrt sich Themar gegen das Nazi-Festival
Schon während eines Friedensgebets am Freitagabend hatten mehrere Redner darauf verwiesen, dass es nicht einfach ist, im ländlichen Raum Proteste gegen Fremdenfeindlichkeit zu organisieren. Auch Themars Bürgermeister Hubert Böse (parteilos) sieht es als eine besondere Herausforderung an, Proteste gegen Neonazis im ländlichen Raum auf die Beine zu stellen. „Man muss immer froh sein, dass sich Menschen aufmachen, auch die andere Seite von Themar zu zeigen“, sagte er am Samstag. „Ich bin dankbar für jeden Einzelnen.“ Das gelte umso mehr, weil es inzwischen auch im Alltag der Stadt eine Polarisierung zwischen denen gebe, die sich gegen Rechtsextremismus stellen und denen, die mit dem rechten Gedankengut sympathisieren.
Rechtsrock-Konzerte gelten oft als politische Kundgebungen
Neonazi-Konzerte haben nach Einschätzung von Rechtsextremismus-Experten eine besondere Bedeutung für die Szene. Einerseits dienen sie der Vernetzung von Rechtsextremisten aus dem gesamten Bundesgebiet und dem Ausland. Andererseits sind sie eine wichtige Einnahmequelle für die Szene. Auch während des Festivals in Themar werden auf dem Veranstaltungsgelände zahlreiche T-Shirts, CDs und Bücher angeboten. Trotz der hohen Summen, die regelmäßig bei solchen Veranstaltungen umgesetzt werden, gelten sie in der Regel als politische Kundgebungen und stehen deshalb unter dem Schutz der grundgesetzlich geschützten Versammlungsfreiheit.
(dpa)