Moskau. . Die Russen lassen sich etwas einfallen, um von Wladimir Putin gehört zu werden. Der Petersburger Fernfahrer Alexei Ka­rajew saß am Steuer seines dröhnenden Lkw, als er sich per Video-Anruf beim russischen Präsidenten über die eklatanten Benzinpreise beschwerte: „Am 18. März hat das ganze Volk für Sie gestimmt, aber die Benzinpreissteigerungen können Sie nicht aufhalten.“ „Das, was jetzt passiert, ist nicht richtig“, stimmte Wladimir Putin zu. Es sei das Resultat einer – „vorsichtig formuliert“ – ungenauen Regulierung im Treibstoffbereich. Aber die Regierung habe schon eine Reihe von Gegenmaßnahmen ergriffen.

Die Russen lassen sich etwas einfallen, um von Wladimir Putin gehört zu werden. Der Petersburger Fernfahrer Alexei Ka­rajew saß am Steuer seines dröhnenden Lkw, als er sich per Video-Anruf beim russischen Präsidenten über die eklatanten Benzinpreise beschwerte: „Am 18. März hat das ganze Volk für Sie gestimmt, aber die Benzinpreissteigerungen können Sie nicht aufhalten.“ „Das, was jetzt passiert, ist nicht richtig“, stimmte Wladimir Putin zu. Es sei das Resultat einer – „vorsichtig formuliert“ – ungenauen Regulierung im Treibstoffbereich. Aber die Regierung habe schon eine Reihe von Gegenmaßnahmen ergriffen.

Am Donnerstag veranstaltete Wladimir Putin seine jährliche TV-Show „Der direkte Draht“. Fast viereinhalb Stunden beantwortete der russische Langzeitpräsident Fragen der Bevölkerung. Fast 2,6 Millionen Russen wandten sich per Telefon, E-Mail, über Skype oder WhatsApp an ihren Staatschef. Sie klagten über geschlossene Kinderkrankenhäuser und Dorfschulen, über illegale Müllkippen, über das Verbot des Russischen als Lehrsprache an lettischen Schulen. Sie fragten nach neuen Raumschiffen, nach einem möglichen Verbot von Instagram in Russland und der drohenden Erhöhung des Rentenalters. Putin antwortete geduldig, scherzte, versicherte, man werde die Einkommensteuer nicht erhöhen, wich der Frage nach einer Erhöhung des Rentenalters aber elegant aus. Wichtig sei es vor allem, die Einkünfte der Rentner weiter zu steigern.

Erstmals ist kein Publikum im Studio dabei

Die TV-Zuschauer erlebten einen Präsidenten, der wie immer vorgab, alles im Griff zu haben. Und ein Jungunternehmer aus Kertsch bedankte sich bei Putin persönlich für den Bau der kürzlich eröffneten 19-Kilometer-Brücke zwischen der annektierten Halbinsel Krim und der Krasnodarer Küste.

Putins Palaver mit dem Volk gilt als zentrales Ritual im politischen Jahr Russlands. Seit 2001 stellt sich der Präsident den Fragen der Bürger, es sind zum großen Teil Beschwerden und Bitten. Schon 2001 beklagte sich eine Kriegsveteranin über ihre Rente von umgerechnet knapp 40 Euro. Putin ließ nicht nur postwendend die Renten erhöhen, sondern verlieh der Frau auch den Orden „Für die Verteidigung Stalingrads“. Seitdem geriet die Fernsehshow immer mehr zur digitalen Audienz. Putin empfängt einfache Männer, Frauen oder Kinder, die wegen maroder Wohnhäuser oder Krebs im Endstadium um seine Hilfe bitten. Oder sich von ihm zu Neujahr ein neues Kleid wünschen. Die Untertanen flehen zu ihrem Zaren, weil in Russland sonst niemand auf sie hören will. „Das Volk weiß, dass weder Lokalabgeordnete, Gouverneure oder Richter, weder Mahnwachen noch Zeitungsartikel oder Demos helfen“, schreibt der Politologe Alexander Morosow. „Aber es gibt diesen einen Tag im Jahr, in dem das ,Fenster des Glückes‘ geöffnet ist. Dort muss man seine E-Mail oder seinen Videoanruf platzieren – und plötzlich setzen alle ernsthafte Gesichter auf und lösen das Problem. Putin persönlich hat es ja angeordnet.“

Dieses Jahr verzichtete man zum ersten Mal auf Publikum im Studio, also vor allem auf Prominente. Einer der Moderatoren erklärte, der Präsident werde so noch mehr Zeit für die kleinen Leute haben. Und alle Minister, vor allem aber fast alle Gouverneure, waren live zugeschaltet, also diejenigen, die die Verantwortung vor Ort tragen. Schon vor der Sendung hatten Politologen gemutmaßt, dass Putin Köpfe rollen lassen würde.

Schärfe kam in die Sendung, als es um die Ukraine ging. Putin drohte dem Nachbarland, falls es während der kommenden Fußball-WM Stellungen der von Russland unterstützten Separatisten in der Ostukraine angreifen sollte. „Ich hoffe, dass es nicht zu solchen Provokationen kommt“, sagte er. „Wenn das passiert, wird es, so sehe ich das, sehr schwere Folgen für die ganze ukrainische Staatlichkeit haben.“

Putin kommentierte die angespannte internationale Lage, versicherte wie üblich, alle Sanktionen, mit denen der Westen versuche, Russlands Entwicklung einzudämmen, seien sinnlos. Immer mehr Politiker in Europa würden das auch begreifen. Er duze sich sowohl mit Merkel als auch mit Macron. Gibt es einen Dritten Weltkrieg? „Ich bin nicht sicher, mit welchen Waffen der Dritte Weltkrieg ausgetragen wird“, antwortete der Präsident mit einem Einstein-Zitat. „Im Vierten Weltkrieg werden sie mit Stöcken und Steinen kämpfen.“ Und das Schlachtfeld in Syrien sei für Russland kein Truppenübungsplatz, aber der Einsatz in dem Land, stelle eine „unbezahlbare Erfahrung“ für die Streitkräfte dar.

Fazit? Das hatte Wladimir Putin schon ganz zu Anfang verkündet. Auf die Frage, ob Russland eine weiß oder schwarz gefärbte Entwicklungsphase durchlebe. Russland habe wieder ein stabiles, wenn auch noch geringes Wirtschaftswachstum von 1,5 Prozent im Jahr erreicht. Die Löhne seien um 1,9 Prozent, die realen Einkommen gar um 3,8 Prozent gestiegen. Sicher, das spüre nicht jeder Einzelne, aber im Großen und Ganzen sei das die objektive Statistik. „Wir bewegen uns in Richtung beständiger weißer Farbe. Auch in der Arktis ist ja nicht alles völlig weiß.“ Sohl wohl heißen: Russlands Bürger dürfen glücklich sein, von Wladimir Putin regiert zu werden.