Düsseldorf. Das Land schafft neue präventive Befugnisse für die Polizei in NRW – dagegen gibt es verfassungsrechtliche Bedenken von Juristen und der FDP.
Die schwarz-gelbe Landesregierung arbeitet an einer deutlichen Verschärfung des Polizeigesetzes. Bis zu den Sommerferien soll eine Reform beschlossen werden, die den Sicherheitsbehörden im Kampf gegen Terrorismus und schwere Kriminalität deutlich erweiterte Befugnisse beschert. Juristen, Datenschützer und Teile der FDP sehen einen unzulässigen Eingriff in die Grundrechte der Bürger.
Was ist das grundlegend Neue am geplanten NRW-Polizeigesetz?
Bislang durfte die Polizei in die Grundrechte der Bürger nur eingreifen, wenn eine konkrete Gefahr droht. Künftig reicht schon die „drohende Gefahr“ einer Straftat von erheblicher Bedeutung oder eine „drohende terroristische Gefahr“. Die Schwelle für den polizeilichen Eingriff wird damit abgesenkt. Musste bisher in einer konkreten Situation der Schadenseintritt verhindert werden, reicht künftig bereits die Annahme aus, dass eine bestimmte Person demnächst einen Terroranschlag oder eine schwere Straftat verüben könnte.
Ist das Polizeigesetz verfassungsfest?
Einige renommierte Juristen sehen eine gravierende Ausweitung von Präventivmaßnahmen der Polizei und damit einen unzulässigen Eingriff in bürgerliche Freiheitsrechte. NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) beruft sich dagegen auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts von 2016, das Maßnahmen schon bei einer „drohenden Gefahr“ für zulässig erklärt hatte.
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Allerdings bezog sich Karlsruhe damals allein auf die Terrorabwehr, NRW plant eine Ausweitung auch „auf Straftaten von erheblicher Bedeutung“. Die SPD im Landtag behält sich vor, zum Verfassungsgericht zu ziehen. Es gebe „große verfassungsrechtliche Bedenken“, Polizisten könnten praktisch nach eigenem Ermessen entscheiden, ob sie ermitteln.
Welche neuen Befugnisse bekommt die Polizei?
Liegt eine „drohende Gefahr“ vor, kann die Polizei künftig aus einen neuen Instrumentenkasten wählen. So kann ein „Unterbindungsgewahrsam“, also eine vorbeugende Haft, je nach Gefahreneinschätzung von bis zu einem Monat verhängt werden. Bei einer reinen Identitätsfeststellung sind bereits sieben Tage Unterbindungsgewahrsam möglich. Es können zudem Aufenthalts- und Kontaktverbote verhängt oder elektronische Fußfesseln angeordnet werden.
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Möglich wird künftig auch das präventive Auslesen von WhatsApp-Nachrichten und anderen verschlüsselten Telekommunikationsinhalten (Quellen-TKÜ). Allerdings muss bei allen Maßnahmen ein Richter seine Zustimmung geben.
Was sind die neuen Alltagsinstrumente der Polizei?
Während die neuen „drohenden Gefahren“ nur eine überschaubare Zahl von Verdächtigen betreffen dürften, stören sich Datenschützer an der geplanten erweiterten Videoüberwachung. Sie soll in NRW künftig nicht mehr nur auf nachgewiesene Kriminalitätsbrennpunkte beschränkt bleiben.
Zudem kann die Polizei mit Hilfe einer neuen „strategischen Fahndung“ für 28 Tage in einem bestimmten Gebiet ohne Verdacht Personen kontrollieren. Sie muss dafür jedoch vorab einen Anlass nennen. Beispiel: Kommt es zu einer Häufung von professionellen Wohnungseinbrüchen im Ruhrgebiet, können entlang möglicher Fluchtrouten in die Niederlande Autos kontrolliert werden.
Steht die Mehrheit im Landtag für das Polizeigesetz?
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Ja. Die Mehrheit von CDU und FDP im Landtag beträgt zwar lediglich eine Stimme. Kritik kommt bislang aber nur von liberalen Altmeistern wie Gerhart Baum und der Parteijugend. Die Jungen Liberalen wehren sich gegen die Quellen-TKÜ und pochen auf einen Unterbindungsgewahrsam von maximal sieben Tagen - wie es ursprünglich auch im Koalitionsvertrag verabredet wurde.