Madrid/Berlin. . Kurz vor Freitagmittag ist es so weit. Der scheidende Ministerpräsident Mariano Rajoy läuft die dunkle Holztreppe im spanischen Parlament hoch. Pedro Sánchez, der neue Regierungschef, kommt ihm entgegen. Rajoy ergreift Sánchez’ Hand, gratuliert, sein Gegenüber nickt mit dem Kopf. Eine kurze Geste, ein paar dürre Worte – und der Machtwechsel in Spanien ist de facto über die Bühne gegangen. Rajoy, Chef der konservativen Partido Popular (PP), ist gerade durch ein konstruktives Misstrauensvotum abgewählt worden. Es ist das erste Mal in der demokratischen Geschichte des Landes nach dem Ende der Franco-Diktatur 1975, dass ein Ministerpräsident durch einen Misstrauensantrag zu Fall kommt.
Kurz vor Freitagmittag ist es so weit. Der scheidende Ministerpräsident Mariano Rajoy läuft die dunkle Holztreppe im spanischen Parlament hoch. Pedro Sánchez, der neue Regierungschef, kommt ihm entgegen. Rajoy ergreift Sánchez’ Hand, gratuliert, sein Gegenüber nickt mit dem Kopf. Eine kurze Geste, ein paar dürre Worte – und der Machtwechsel in Spanien ist de facto über die Bühne gegangen. Rajoy, Chef der konservativen Partido Popular (PP), ist gerade durch ein konstruktives Misstrauensvotum abgewählt worden. Es ist das erste Mal in der demokratischen Geschichte des Landes nach dem Ende der Franco-Diktatur 1975, dass ein Ministerpräsident durch einen Misstrauensantrag zu Fall kommt.
Sánchez, Vorsitzender der sozialistischen PSOE und Drahtzieher der Abstimmung, ist damit automatisch neuer Premier. Ihm war es gelungen, eine absolute Mehrheit an Stimmen gegen Rajoy zu organisieren. Mit dabei waren die linksalternative Protestpartei Podemos („Wir können“) und mehrere Regionalparteien – unter anderem aus der Krisenregion Katalonien sowie die PNV aus dem Baskenland.
Rajoy hatte einen schweren Korruptionsskandal am Bein
Der sozialistische Politiker bewies bei der Aktion Machtinstinkt. Vor einer Woche sah der 46-jährige Sánchez den richtigen Zeitpunkt zum Angriff auf die seit 2011 amtierende Regierung Rajoy gekommen. Der nationale Gerichtshof hatte gerade 29 konservative Politiker und parteinahe Unternehmer wegen Bestechlichkeit zu hohen Haftstrafen verurteilt. Die Richter beschuldigten Rajoys PP, ein „korruptives System“ im Staat installiert zu haben. Mehrere frühere Parteimitglieder erhielten teils langjährige Haftstrafen. Ein Moment der Schwäche des Premiers – und Sánchez hatte Blut geleckt.
Sánchez hat es gelernt, auf den richtigen Augenblick zu warten. Der Wirtschaftswissenschaftler mit dem Doktortitel ist in seiner politischen Laufbahn schon mehrmals totgesagt worden. So etwa, als seine PSOE als der große Verlierer aus der Parlamentswahl 2015 hervorgegangen war. Oder als er Anfang 2016 für das Amt des Ministerpräsidenten kandidierte, aber krachend scheiterte. Oder als er im Oktober 2016 nach gut zwei Jahren als PSOE-Chef zurücktrat, nachdem er sich monatelang geweigert hatte, in einer politischen Pattsituation eine neue Amtszeit von Ministerpräsident Rajoy zu tolerieren.
Immerhin kann Brüssel aufatmen: In Spanien sind – anders als zum Beispiel in Italien – keine europaskeptischen Parteien in Sicht, die für weitere Turbulenzen in der EU sorgen könnten. Die Sozialisten befinden sich auf europafreundlichem und sozialdemokratischem Kurs.
In Berlin hofft man auf ein stabiles neues Kabinett. Regierungssprecher Steffen Seibert würdigte die Leistungen Rajoys. Dieser habe dazu beigetragen, dass sich Spanien in den vergangenen Jahren aus eigener Kraft aus der Krise herausgearbeitet habe. Spanien habe heute mit das stärkste Wirtschaftswachstum in Europa und sei ein wichtiger Partner Deutschlands. Stabilität dürfte sich jedoch in Madrid kaum einstellen. Denn auch Spaniens neue Regierung, die nun von Sánchez angeführt und von der linksalternativen Podemos gestützt wird, steht auf schwachen Füßen. Die Mehrheit für den Machtwechsel kam nur zustande, weil die separatistischen Parteien aus Katalonien gegen Rajoy stimmten. Ob und welche Gegenleistungen Sánchez den Separatisten versprochen hat, ist unklar. Zudem stellt sich die Frage, welche Konsequenzen dies möglicherweise für den früheren katalanischen Regionalpräsidenten Carles Puigdemont hat, der seit März im Exil in Berlin wohnt.
Rajoy hatte einen harten Kurs gegenüber Katalonien gefahren und die Region im Zuge eines verbotenen Unabhängigkeitsreferendums im Herbst vergangenen Jahres unter Zwangsverwaltung aus Madrid gestellt. Mit der Vorstellung des Kabinetts des neuen katalanischen Regionalchefs Quim Torra könnte diese nun in den nächsten Tagen aufgehoben werden. Sánchez hatte sich in der Vergangenheit zwar auch gegen die Unabhängigkeit Kataloniens ausgesprochen. Allerdings wurden Hoffnungen laut, dass ein kompromissbereiterer und im Ton freundlicherer Sánchez die Katalonien-Krise entschärfen könnte. Sollten ihm die katalanischen Parteien die Unterstützung wieder entziehen, könnte die Amtszeit von Sánchez und seinem neuen Wackel-Kabinett schnell zu Ende gehen. Er hat schon mal Neuwahlen angekündigt – aber nicht gesagt, für wann.