Mülheim. . Am Tag, nachdem im Mülheimer Rathaus die Nachricht vom Verdacht der Untreue gegen Oberbürgermeister Ulrich Scholten (SPD) wie eine Bombe eingeschlagen war, versucht die Stadtspitze den Ball flach zu halten: Stadtdirektor Frank Steinfort (CDU) gibt sich in einer ersten offiziellen Verlautbarung der Stadt am Mittwoch bemüht, Ruhe und Souveränität zu demonstrieren. „Wir haben keine Staatskrise. Die Verwaltung ist weiterhin voll arbeitsfähig“, lässt er verkünden.

Am Tag, nachdem im Mülheimer Rathaus die Nachricht vom Verdacht der Untreue gegen Oberbürgermeister Ulrich Scholten (SPD) wie eine Bombe eingeschlagen war, versucht die Stadtspitze den Ball flach zu halten: Stadtdirektor Frank Steinfort (CDU) gibt sich in einer ersten offiziellen Verlautbarung der Stadt am Mittwoch bemüht, Ruhe und Souveränität zu demonstrieren. „Wir haben keine Staatskrise. Die Verwaltung ist weiterhin voll arbeitsfähig“, lässt er verkünden.

Hinter den Kulissen aber tobt es. Im Raum steht ein Szenario, wonach der Verdacht auf Unregelmäßigkeiten bei der Spesenabrechnung des OB nur das Deckmäntelchen für einen politischen Königsmord sei. Könnten führende Mülheimer Sozialdemokraten den Moment der Schwäche beim krankgeschriebenen und um seine kürzlich gestorbene Frau trauernden Oberbürgermeister nutzen wollen, um ihn aus dem Amt zu jagen? Die Antwort auf diese Frage blieb gestern weiter offen.

Bei den Mülheimer Sozialdemokraten gärt es schon länger. Insider der örtlichen SPD sehen die Drahtzieher in den eigenen Reihen, vier Namen fallen: Fraktionsgeschäftsführer Claus Schindler und Fraktionsvorsitzender Dieter Spliethoff sollen schon am 16. Mai einen Rückzug Scholtens aus dem Rathaus gefordert haben. Dazu sollen zuletzt zwei SPD-Dezernenten aus dem Verwaltungsvorstand – Kämmerer Frank Mendack und der unter anderem für Bildung, Soziales und Sport zuständige Ulrich Ernst – intensiv auf Scholten eingewirkt haben, sich zurückzuziehen. Der habe sich jedoch geweigert.

Es geht nicht nur um den Verdacht der Untreue. Scholtens Amtsführung insgesamt steht seit Sommer 2016 in Teilen der SPD unter massiver Kritik, etwa auch, dass er für die Stadt keine Entwicklungsszenarien entworfen habe. Mehrfach forderte die Fraktionsspitze seither Besserung. Nach deren Darstellung erfolglos.

Dienstagabend hatten sich die Ereignisse überschlagen: Zunächst sickerte durch, dass die Stadtverwaltung die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Märkische Revision in Essen beauftragt hat, die Spesenabrechnungen des OB zu untersuchen. „Unregelmäßigkeiten bei der Abrechnung der Verfügungsmittel des Oberbürgermeisters können nicht ausgeschlossen werden“, bestätigte Käm­merer Mendack später. Es soll sich um Abrechnungen für Essen und Getränke handeln, bei denen „ein dienstlicher Kontext“ nach erster Prüfung nicht zu erkennen sei.

Mendack sagte auch, dass er wegen dieser „Auffälligkeiten“ schon am Montag Scholten selbst, den Leiter des Rechnungsprüfungsamtes und die Bezirksregierung informiert habe. Gleichzeitig habe er die Märkische Revision beauftragt, sämtliche Spesenabrechnungen Scholtens aus den Jahren 2016 bis 2018 zu prüfen. Ein Ergebnis solle in vier Wochen vorliegen. Laut Mendack geht es um die Verwendung von Mitteln, die der OB etwa für die Bewirtungskosten von Gesprächspartnern ausgeben darf. 7500 Euro hätten Ulrich Scholten dafür im Jahr 2017 zur Verfügung gestanden, in diesem Jahr seien es 10 000 Euro. Unbestimmte Teilsummen davon sollen nun überprüft werden.

Hinweise auf vermeintliche „Unregelmäßigkeiten“, so Mendack, seien aus der Mitarbeiterschaft gekommen. Es sei seine Pflicht gewesen, dem nachzugehen. Für eine Bewertung nicht das städtische Rechnungsprüfungsamt einzuschalten, sondern dies externen Prüfern zu überlassen, sei bewusst so entschieden worden. Man habe jeden Anschein einer Interessenkollision vermeiden wollen.

Warum jetzt die Vorwürfe?

Und wie steht der OB selbst zu den Vorgängen um seine Person? „Ich bin irritiert und auch menschlich enttäuscht“, sagte Ulrich Scholten am Mittwoch im Gespräch mit dieser Zeitung. Er wolle gesund werden und möglichst bald seinen Job im Rathaus wieder wahrnehmen – daran arbeite er derzeit, auch mit seinen Töchtern. Untreue? Bis gestern habe man ihm keinen einzigen Beleg über mögliche Versäumnisse oder über ein Fehlverhalten vorgelegt. „Transparenz war mir immer wichtig, daran will ich auch weiter arbeiten“, versichert er.

Warum jetzt die Rücktrittsforderungen, wo er quasi außer Gefecht ist? Scholten selbst rätselt. Außerhalb der SPD sprechen Politiker von einem „Schmierentheater“ und nennen den Umgang mit Scholten „unmenschlich“.