Dortmund. . Beim Deutschen Seniorentag in Dortmund werden bis Mittwoch 15 000 Besucher erwartet. Bundespräsident Steinmeier fordert zum Start bessere Pflege.
Es ist noch nicht zehn Uhr, aber die Plätze vor der Bühne sind schon gut gefüllt. Was einem wie Franz Müntefering natürlich nicht entgeht. „Ich freue mich, dass zu so früher Stunde so viele hier erschienen sind“, sagt der 78-jährige SPD-Politiker. Zwischen den Stuhlreihen lachen sie. „Senile Bettflucht“, scherzt jemand, aber das stimmt nur bedingt.
Denn natürlich sind die meisten zeitig aufgestanden und gekommen, weil in den Dortmunder Westfalenhallen der 12. Deutsche Seniorentag stattfindet – mit Vorträgen, Diskussionsrunden und einer Messe. Ausgerichtet wird er von der Bundesarbeitsgemeinschaft der Senioren-Organisationen (BAGSO), deren Vorsitzender Müntefering seit einigen Jahren ist.
„Senioren bilden das Rückgrat der Ehrenamtlichen“
Bis Mittwoch werden rund 15 000 Besucher erwartet. Der prominenteste davon ist gestern der Bundespräsident, der traditionell den Kongress eröffnet. Und Frank-Walter Steinmeier, mit 62 auch schon Senioren-Ticket berechtigt, geht in seiner Eröffnungsrede auf die vielen Facetten des Alt-Seins ein. Ein Alt-Sein, das „durch den Fortschritt von Hygiene und Medizin länger dauert, als je zuvor“. Grundsätzlich gut sei das, findet der Bundespräsident, weiß aber, dass das Leben mit 66 Jahren nicht für jeden anfängt. „Nicht alle haben noch Spaß daran“ – sei es, weil sie krank oder einsam seien, sei es, weil sie jeden Cent umdrehen müssten.
Natürlich gibt es die anderen, gibt es die fitten, gut vernetzten, wohlsituierten Rentner. Zwischen beiden Gruppen will Steinmeier entsprechend dem Motto des Seniorentages, „Brücken bauen“. Genau wie zwischen Jung und Alt. Und er glaubt, dass er sich dabei besonders auf die Alten verlassen kann. In den Familien aber auch in Vereinen und Hilfsorganisationen. „Senioren bilden das Rückgrat der Ehrenamtlichen.“
Steinmeier fordert bessere Bedingungen für die Pflege
Aber „irgendwann“, weiß der Bundespräsident, „können wir uns nicht mehr um andere und nur wenig um uns selbst kümmern“. Und dann sei ehrenamtliche und private Hilfe nicht ausreichend. Deshalb sei die „Politik verpflichtet dafür zu sorgen, dass auch im Alter für alle ein würdiges Leben möglich ist“. Und da will Steinmeier nichts „schönreden“. „Der aktuelle Zustand der Altenpflege bereitet Sorge.“ Die Politik müsse der Altenpflege erste Priorität einräumen. „Pflege kann nicht immer nur billig sein – und sie darf nicht auf Kosten der Pflegekräfte billig gemacht werden.“
Bei Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) scheint er damit offene Türen einzurennen. „Wir müssen uns um die Kümmerer kümmern“, fordert die ehemalige Bezirksbürgermeisterin von Berlin Neukölln in ihrem Grußwort. Mit dem neuen Gesetz zur Reform der Pflegeberufe des Bundes sei auch schon ein erster Schritt unternommen worden, um mehr Männer und Frauen für diese Aufgabe zu gewinnen – zum Beispiel durch den Wegfall des Schulgeldes.
Messe lockt mit vielen Angeboten
Bundespräsident Steinmeier findet dann zum Abschluss seiner Rede auch versöhnliche Worte, indem er sich auf eine Textzeile aus dem Cat-Stevens-Klassiker „Father & Son“ beruft. „Sieh mich an, ich bin alt aber glücklich“, sagt der Vater da zu seinem rebellischen Sohn. „Möchten doch“, wünscht sich Steinmeier, „möglichst viele alte Menschen in unserem Land das jemandem sagen können.“
Die meisten Besucher der Seniorenmesse in Halle 3b können es wahrscheinlich. Gesungen und getanzt wird hier und sich überhaupt viel bewegt. Die Polizei warnt vor Trickbetrügern, die Diabeteshilfe vor falscher Ernährung. An einem Stand gibt es Tipps für „den letzten Willen“, am anderen für die nächste Urlaubsreise, das passende Handy oder den richtigen Weg ins Internet. „Sehr interessant“, findet Werner Gruber (74) aus Recklinghausen das alles und ist „mit dem Leben als Rentner zufrieden“. „Ich genieße jeden Tag. Wer weiß schon, wie lange ich das noch kann.“
>> Laumann vertritt Ministerpräsident
Auch NRW-Sozialminister Karl-Josef Laumann (CDU) sprach sich gestern in seinem Grußwort dafür aus, die beruflichen Situation von Pflegekräften deutlich zu verbessern und dafür die strukturellen Voraussetzungen zu schaffen. Um die Pflegesituation zu optimieren, sei ein Zusammenwirken von Familien, Nachbarn und professionellen Anbietern notwendig. Laumann vertrat Armin Laschet.
Der 12. Deutsche Seniorentag findet noch bis Mittwoch in den Dortmunder Westfalenhallen statt. Geöffnet ist heute von 9 Uhr bis 18 Uhr, morgen von 9 Uhr bis 17 Uhr. Die Tageskarte kostet 12 Euro und beinhaltet die Anfahrt mit den Bussen und Bahnen des Verkehrsverbundes Rhein-Ruhr. Begleitpersonen von Schwerbehinderten (Merkzeichen B im Ausweis) erhalten freien Eintritt.