Sotschi. . Wenn es um das Demonstrieren von Macht geht, macht der russische Präsident vor nichts Halt. ­Wladimir Putin ließ einen Tag vor dem Besuch von Bundeskanzlerin Angela Merkel im russischen Badeort Sotschi den syrischen Machthaber Baschar al-Assad einfliegen. Und reichte ihm in seiner Sommerresidenz am Schwarzen Meer demonstrativ die Hand, nannte die jüngsten Rückeroberungen von Rebellengebieten durch Assads Armee einen Erfolg im Kampf gegen den Terrorismus.

Wenn es um das Demonstrieren von Macht geht, macht der russische Präsident vor nichts Halt. ­Wladimir Putin ließ einen Tag vor dem Besuch von Bundeskanzlerin Angela Merkel im russischen Badeort Sotschi den syrischen Machthaber Baschar al-Assad einfliegen. Und reichte ihm in seiner Sommerresidenz am Schwarzen Meer demonstrativ die Hand, nannte die jüngsten Rückeroberungen von Rebellengebieten durch Assads Armee einen Erfolg im Kampf gegen den Terrorismus.

Es ist ein Zeichen, eine Brüskierung des Westens, der jüngst Luftschläge gegen Assad flog. Die deutsche Regierung geht davon aus, dass das Assad-Regime im Bürgerkrieg Giftgas gegen die eigene Bevölkerung eingesetzt hat.

Eine schwierige diplomatische Situation für die Kanzlerin. Doch ihre Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) fand in Deutschland deutliche Worte: „Eine Zukunft auf Dauer mit dem Schlächter Assad, der Blut an seinen Händen hat, wird es nicht geben.“ Die deutsche Ansage war gemacht.

Die Situation in Syrien ist verfahren, fast hoffnungslos: Seit 2011 sind mehr als 400 000 Menschen getötet worden, Millionen sind im In- und Ausland auf der Flucht. Russland ist neben dem Iran die militärische Schutzmacht Assads und hat durch das Eingreifen vor zweieinhalb Jahren seinen Sturz verhindert.

Der Bau von Nord Stream 2hat begonnen

Putin empfing Merkel mit weißen Rosen in Sotschi und wurde nicht müde, die guten deutsch-russischen Beziehungen zu betonen. „Wir haben auch in schwierigen Zeiten den Gesprächsfaden nie abreißen lassen“, schmeichelte der gerade wiedergewählte russische Präsident.

Diese Art der Machtdemonstration ist Putins Politik-Stil. Vergleichsweise harmlos war da noch eine Episode, die sich ebenfalls in Sotschi abspielte. Im Januar 2007 nahm Putin seine Labradorhündin Koni mit zum offiziellen Bildtermin, diese streifte den beiden Politikern um die Beine. Merkel mag keine Hunde, blickte starr vor sich hin. Sie ist bis heute überzeugt, dass es ein Machtspielchen des russischen Präsidenten war.

Die beiden kennen sich seit 2005. Schätzen sie sich? Zumindest respektieren sie sich. Merkel ist für Putin der einzige westliche Ansprechpartner auf Augenhöhe – was nicht nur daran liegt, dass Merkel sich mit dem Präsidenten auf Russisch unterhalten kann: Putin wiederum redet und versteht deutsch – wenn er mag. Und Merkel konnte Putin immer „lesen“ – sie warnte früh, dass man ­Putins Gekränktsein über den Verlust des Sowjetreiches nicht unterschätzen dürfe. Die Annexion der Krim und die Kämpfe in der Ukraine sind der Beleg.

2018, im Jahr der außenpolitischen Krisen, geht es allerdings um wesentlich mehr als um ­Atmosphärisches. Vielmehr stehen auf Merkels Agenda bei ihrem Kurzbesuch neben Syrien der Streit um die Ostukraine, der Ausstieg Amerikas aus dem Iran-Abkommen und der Streit um die Gas-Pipeline Nord Stream 2.

In dieser schwierigen Zweierbeziehung sorgt nun ein Dritter für Bewegung. Mit seiner Hardliner-Politik, etwa der Abkehr vom Atom-Abkommen, hat US-Präsident Donald Trump einen Riss im Verhältnis zu alten Verbündeten in Europa hingenommen; zur Genugtuung Putins, der sich von einer Schwächung der transatlantischen ­Allianz eine Stärkung der Position seines Landes verspricht. Trotz der Differenzen über Syrien, die Krim, den Krieg in der Ostukraine sowie Verletzungen von Menschenrechten und Meinungs- und Pressefreiheit in Russland telefonierte die Kanzlerin zuletzt mehrfach mit dem Kremlchef. Berlin und Moskau eint das Interesse, den Atomvertrag zu retten.

Doch in der deutschen Delegation macht man auch deutlich, dass es keinen russischen Keil in den Beziehungen zu den USA geben werde. Trotz Trumps Unwägbarkeiten, die Werte der USA, ihr politisches System und die Demokratie sind unverrückbar: Da werde man sich nicht auf die Seite Russlands schlagen.

Merkel äußerte sich in Sotschi klar und deutlich zum deutsch-amerikanischen Verhältnis: „Wir haben eine feste transatlantische Beziehung, die nicht infrage steht.“ Es gebe auch ein „strategisches Interesse“, ein gutes Verhältnis zu Russland zu haben. „In diesen Zeiten, in denen viel übereinander geredet wird, muss man alle Möglichkeiten ausloten, miteinander zu reden“, betonte Merkel. Der Unterschied zwischen einer nicht infrage stehenden Beziehung und einem strategischen Interesse, diese Feinheiten sind die hohe Schule der Diplomatie.

Berlin ist genervt, weil Moskau etwa in der Ostukraine keine Zugeständnisse macht. Das Minsker Abkommen müsse eingehalten, eine UN-Mission stationiert werden, so die Forderungen. Putin signalisierte nach dem Treffen Entgegenkommen in dieser Frage, versprach auch, dass die Gasleitung Nord Stream 2, deren Bau am Dienstag begann, Russland nicht davon abhalten werde, weiter Gas durch die Ukraine zu leiten, „wenn es wirtschaftlich vertretbar ist“.

Russland will Nord Stream 2 unbedingt. Viele osteuropäische Länder sehen die direkte Pipeline-Verbindung zwischen Deutschland und Russland kritisch – sie fühlen sich übergangen. Die Ukraine hat Angst, künftig bei Gaslieferungen umgangen zu werden, was für das Land einen Verlust von mehreren hundert Millionen Euro zur Folge hätte.

Merkel ist in ihrer vierten und vermutlich letzten Amtszeit. Deren Beginn wird von der Außenpolitik dominiert. Es gehe derzeit weltweit um Krieg und Frieden, sagte die 63-Jährige kürzlich bei der Verleihung des Karlspreises. Auch Putin sprach von „schwieriger außenpolitischer Konjunktur“. In diesen Zeiten ist der bloße Dialog Russlands und Deutschlands schon ein Erfolg.