Rom. Das Urteil der Finanzmärkte war schnell gefällt: Der wichtigste Index an der Börse in Mailand sackte am Mittwoch ab. Auch der Eurokurs ging auf Talfahrt und sank auf den tiefsten Stand seit Jahresbeginn. Italienische Staatsanleihen dagegen wurden mit einem höheren Risikoaufschlag gehandelt – die Kreditwürdigkeit Italiens wird jetzt schlechter bewertet als die von Spanien oder Portugal.

Das Urteil der Finanzmärkte war schnell gefällt: Der wichtigste Index an der Börse in Mailand sackte am Mittwoch ab. Auch der Eurokurs ging auf Talfahrt und sank auf den tiefsten Stand seit Jahresbeginn. Italienische Staatsanleihen dagegen wurden mit einem höheren Risikoaufschlag gehandelt – die Kreditwürdigkeit Italiens wird jetzt schlechter bewertet als die von Spanien oder Portugal.

Auslöser der Turbulenzen waren die Koalitionsverhandlungen in Italien. Aus der Parlamentswahl Anfang März war die populistische Fünf-Sterne-Bewegung als Sieger hervorgegangen, die rechtspopulistische Lega kam auf Platz drei. Nach langem Stillstand ringen die beiden Chefs, Luigi Di Maio (Fünf Sterne) und Matteo Salvini (Lega), seit einer Woche um eine Koalition. Nun haben sie nicht nur plötzlich eine Einigung angekündigt. Es sind auch Details aus einem möglichen Koalitionsvertrag bekannt geworden, die das Zeug für eine neue Krise in der Eurozone haben. In jedem Fall droht ein Konflikt mit der Europäischen Kommission in Brüssel und mit anderen Eurostaaten, wie beispielsweise Deutschland.

In dem Dokument, das an die Webseite der „Huffington Post“ durchgestochen worden war, werden unter anderem Szenarien zum Euro-Ausstieg genannt. Gefordert wird auch, Italien 250 Milliarden Euro Schulden zu erlassen, die das Land in Form von Anleihen bei der Europäischen Zentralbank (EZB) hat. Auch von der Neuverhandlung der EU-Verträge ist die Rede.

Der Ausstieg aus dem Euro soll nun doch nicht kommen

Damit bestätigten die beiden Parteichefs die schlimmsten Befürchtungen in Brüssel und auch Berlin. Der Entwurf sei überholt, versicherten der 31-jährige Di Maio und der 45 Jahre alte Salvini umgehend. Doch auch wenn weiter an Details gearbeitet wird, lässt der auf Montagmorgen datierte Entwurf Schlüsse über die Pläne der möglichen künftigen Regierung zu.

Das gilt vor allem für die in dem Dokument enthaltene Forderung nach „wirtschaftlichen und juristischen Prozeduren“ für einen Ausstieg aus dem Euro und die Rückkehr zur „Hoheit über die eigene Währung“. Aus der jüngsten Fassung des Entwurfs sei dieser Punkt bereits wieder gestrichen, beeilte sich die Fünf-Sterne-Bewegung zu versichern. So wollte ihr Chef Di Maio die Sorgen zerstreuen, Italien könne zum Faktor der Instabilität in Europa werden. Er sagte, er verstehe, dass „eine Regierung des Wandels“ Ängste beim „europäischen Establishment“ auslöse. Mit Europa werde es „den maximalen Dialog geben“, so Di Maio, „aber wir werden nicht die Untergebenen einiger Eurokraten sein“.

Lega-Chef Salvini erklärte, sich nicht von Brüssel oder den Märkten einschüchtern zu lassen: „Sorge in Europa, Sorge in Washington, Sorge in Berlin, Sorge in Paris: Wenn die Machtzentralen, die entschieden haben, dass unsere Kinder in Unsicherheit und Angst leben, und (...) die unsere Zukunft massakriert haben, besorgt sind, dann bedeutet das, dass wir etwas richtig machen“, sagte er.

Im Wahlkampf hatte Fünf-Sterne-Chef Di Maio die Anti-EU-Positionen von Beppe Grillo, dem Komiker und Gründer der Partei, noch durch verhandlungsbereite Signale nach Brüssel abgemildert. Er hatte auch auf eigene Attacken gegen die EU und ihre Institutionen verzichtet. Während der Koalitionsverhandlungen nun schwenkte Di Maio, der im Wahlkampf als perfekt gekleideter Schwiegersohn erschien und stets höflich auftritt, aber auf den Kurs des draufgängerischen Lega-Chefs Salvini ein.

Auch ohne die umstrittenen Pläne zu Euro und Verschuldung birgt der Entwurf des Koalitionsvertrags Konfliktstoff. So wird darin die „sofortige Aufhebung der Sanktionen“ gegen Russland gefordert. Auch in der Asylpolitik wollen die Parteien auf Konfrontation zur EU gehen. So soll die Dublin-Regel geändert werden, wonach Asylanträge in dem Land gestellt werden müssen, in dem ein Asylbewerber europäischen Boden betritt.

Schon während der vergangenen Wochen hatte es zahlreiche Warnungen aus Brüssel gegeben, es mit der Politik gegen die EU nicht zu weit zu treiben. So erinnerte der für den Euro zuständige Vizepräsident der EU-Kommission, Valdis Dombrovskis, daran, dass Italien eines der beiden am höchsten verschuldeten Länder der Eurozone ist. Auch der für Migrationsfragen zuständige EU-Kommissar, Dimitri Avramopoulos, drängte die beiden Politiker, keine Veränderungen bei der Zuwanderungspolitik vorzunehmen.

Falls die Koalitionsverhandlungen zu einem Ende kommen und sich die beiden Parteichefs auch noch darauf einigen können, wer denn nun Ministerpräsident wird, sollen am Wochenende die Anhänger von Lega und Fünf Sternen befragt werden. Sie müssen dem Koalitionsvertrag noch zustimmen.