Essen. . Studie: Hochschulen der Region sind personell zu schwach ausgestattet. Trotz Abiturs beginnen weniger Frauen ein Studium an einer Revier-Uni.
Nirgendwo in Deutschland muss ein Professor mehr Studierende betreuen als in NRW. Und innerhalb von NRW ist das Ruhrgebiet das Schlusslicht. Dies ist ein Ergebnis der umfassenden Erhebung zur Studiensituation im Ruhrgebiet. Unter der Federführung von „Ruhrfutur“ – einer Bildungsinitiative von Stiftung Mercator, Land, Region, Kommunen und Hochschulen – haben sechs Revier-Hochschulen über 33 000 Studierende befragt und die Daten ausgewertet.
Ziel ist es, mehr über ihre Lage zu erfahren und Verbesserungen einzuleiten. Beteiligt haben sich die Ruhr-Uni Bochum, die Uni Duisburg-Essen, die TU Dortmund, die Fachhochschule Dortmund, die Westfälische Hochschule Gelsenkirchen sowie die Hochschule Ruhr West in Mülheim.
Studienberechtigte
Im Ruhrgebiet haben deutlich mehr junge Menschen eine Berechtigung zum Studium als bundesweit, jedoch weniger als im übrigen Nordrhein-Westfalen. Besaßen in NRW im Jahr 2015 gut 66 Prozent eines Jahrgangs eine Hochschulzugangsberechtigung, waren es im Ruhrgebiet knapp 64 Prozent (Bund: 53 Prozent). Dabei zeigen sich bei den Städten große Unterschiede. So erwarben zum Beispiel in Duisburg und Oberhausen nur 54 Prozent eine Berechtigung für ein Studium, in Essen und Mülheim aber rund 68 Prozent.
Studentinnen
Der Trend zu höheren Schulabschlüssen trifft besonders auf Frauen zu. Knapp 70 Prozent erwarben eine Studienberechtigung, bei den Männern waren es 58 Prozent. Überrascht waren die Autoren von dem Befund, dass sich Frauen dennoch seltener an einer Ruhrgebiets-Hochschule einschreiben. Der Anteil der Studienanfängerinnen liegt derzeit bei knapp 48 Prozent.
Dieser Trend ist offenbar typisch für das Revier, denn im übrigen NRW studieren seit 2012 mehr Frauen als Männer. Über die Gründe ist wenig bekannt, sagt Markus Küpker, Leiter der Studie bei Ruhrfutur. Womöglich wählen Frauen eher eine Berufsausbildung oder verlassen die Region für ein Studium. „Wir müssen uns Gedanken machen, wie wir Studienangebote besser auf die Bedürfnisse von Frauen und anderen Zielgruppen zuschneiden können.“
Betreuungsrelation
NRW ist bundesweites Schlusslicht bei der Betreuungsrelation, rechnerisch kommen 92 Studierende auf einen Professor. Das Ruhrgebiet schneidet nach Berechnungen von Ruhrfutur noch schlechter ab. An den Revier-Unis betreut im Schnitt ein Professor 108 Studenten. Küpker: „Die Studenten benötigen für ein erfolgreiches Studium den Kontakt zum Lehrpersonal. Bei einem Verhältnis von 108 zu eins bleibt dafür kein Raum.“ Dies könne sich auch auf Abbrecherzahlen auswirken.
Wohnort und Mobilität
Die Hochschulen im Ruhrgebiet haben eine wichtige Funktion für die akademische Ausbildung in der Region: Neun von zehn Studierenden haben ihre Studienberechtigung in NRW erworben, knapp zwei Drittel im Ruhrgebiet. Mobilität spielt sich demnach vor allem innerhalb der Region ab (siehe Grafik). In den Zugezogenen sehen die Autoren ein gutes Zeichen. „Wenn junge intelligente Menschen angezogen werden und bleiben, ist dies ein wichtiges Potenzial für das Ruhrgebiet“, sagt Küpker.
Migration
Rund 36 Prozent der befragten Studierenden gaben an, einen Migrationshintergrund zu haben. Für den Studienerfolg spiele das aber keine messbare Rolle, so Küpker. Wichtiger sei das soziale Umfeld und der familiäre Bildungshintergrund. „Menschen mit Zuwanderungsgeschichte, die an eine Hochschule kommen, sind zuvor durch ein Schulsystem gegangen, das unter Umständen viele herausgefiltert hat.“
Bildungsherkunft
Überdurchschnittlich viele Studenten im Ruhrgebiet sind in ihrer Familie die ersten, die ein Studium aufnehmen. So studierten an den sechs Hochschulen mit 57 Prozent insgesamt mehr Erstakademiker als in NRW (52 Prozent).
Fazit
Die Hochschulen verstehen sich immer weniger als Konkurrenten, sondern zunehmend als „Verantwortungsgemeinschaft“ für die Region, beobachtete Markus Küpker. Zugleich sieht er das Ruhrgebiet durch die schlechte Betreuungsrelation benachteiligt: „Die Region wird gewissermaßen bestraft für ihre Anstrengungen, viele Studenten aus nicht-akademischen Familien für ein Studium zu gewinnen.“ Dafür seien mehr Mittel nötig. „Denn wenn wir von einer Wissenschaftsregion Ruhr sprechen, muss die Finanzierung Schritt halten.“