Berlin. . Die private Sicherheitswirtschaft sperrt sich nicht gegen eine strengere Neuregulierung. Sie wartet sogar darauf, dass die große Koalition ihre Ankündigung umsetzt. Gregor Lehnert, Präsident des Bundesverbandes der Sicherheitswirtschaft (BDSW), regte im Gespräch mit dieser Zeitung an, die Zuständigkeit vom Wirtschafts- ins Innenministerium zu verlagern. Die Sicherheitswirtschaft ist nicht nur fast so groß wie die Polizei, sondern insgeheim auch ihre stille Reserve – ein Blick auf eine Branche im Wandel und auf dem Prüfstand.
Die private Sicherheitswirtschaft sperrt sich nicht gegen eine strengere Neuregulierung. Sie wartet sogar darauf, dass die große Koalition ihre Ankündigung umsetzt. Gregor Lehnert, Präsident des Bundesverbandes der Sicherheitswirtschaft (BDSW), regte im Gespräch mit dieser Zeitung an, die Zuständigkeit vom Wirtschafts- ins Innenministerium zu verlagern. Die Sicherheitswirtschaft ist nicht nur fast so groß wie die Polizei, sondern insgeheim auch ihre stille Reserve – ein Blick auf eine Branche im Wandel und auf dem Prüfstand.
Warum ist der Staat gefordert?
Aus NRW wurden mehrfach Übergriffe auf Flüchtlinge bekannt – die Menschen wurden von Sicherheitskräften misshandelt und gedemütigt. Auch Verbandschef Lehnert leugnet nicht, dass das Umsatzplus von 40 Prozent in den Boomjahren 2015 und 2016 mit erheblichen negativen Begleiterscheinungen erkauft wurde. Als die Flüchtlinge kamen, waren die Behörden überfordert, binnen Tagen für Unterkünfte und deren Schutz zu sorgen. Die Vergabe ging oft an den billigsten der Anbieter, deren Zuverlässigkeit und Qualifizierung unzureichend oder nicht geprüft wurden. Nicht selten fehlte schlicht geeignetes Personal. So wurden Unternehmen groß gemacht, die vorher in Randbereichen tätig waren oder erst gegründet wurden.
Was kann der Staat besser regeln?
Er könnte die Anforderungen an Ausbildung, Eignung, Organisation, Qualifikation, Ausstattung und Spezialisierung für alle Anbieter verschärfen. Bisher erfolgt der Zugang zum Beruf praktisch über die Anmeldung zum Gewerbeschein. Lehnert mahnt denn auch im Gespräch mit unserer Zeitung: „Wir brauchen eine Regelung in einem Sektorengesetz, nicht in der Gewerbeordnung.“ Private Sicherheitsdienste werden seit der Weimarer Republik in der Gewerbeordnung erfasst und reguliert. Fast überall in der EU ist es Sache der Innen- und Justizministerien. Sinnvoll wäre nach Lehnerts Ansicht auch in Deutschland eine Zuständigkeitsverlagerung – wegen der Nähe zu den Aufgaben Sicherheit und Gefahrenabwehr. „Wir arbeiten an der Nahtstelle zur Polizei.“ Die Minister für Wirtschaft (Peter Altmaier, CDU) und des Innern (Horst Seehofer, CSU) haben über die Zuständigkeiten noch nicht miteinander geredet.
Will die Branche strengere Regeln?
Verbandschef Lehnert hält es „in einem ersten Schritt“ für erforderlich, für einzelne Aufgabengebiete, die eine enge Zusammenarbeit mit der Polizei erfordern, „spezialgesetzliche Regelungen zu schaffen“, ausdrücklich für den besseren Schutz von Flüchtlingsunterkünften. Am kommenden Donnerstag trifft sich der Verband zur Jahrestagung in Wiesbaden. Was ist den 6300 Unternehmen wichtiger, die Gewerbefreiheit oder ein Status als Sicherheitsakteur? Das ist, was sich viele erhoffen: eine neue Rolle und letztlich eine strategische Partnerschaft mit der Polizei.
Wie groß ist die Staatsnähe?
Fünf Prozent des Umsatzes im Jahr 2017 – 8,5 Milliarden Euro – machte die Branche mit dem Schutz militärischer Liegenschaften, weitere elf Prozent mit den Kontrollen an den Flughäfen. Die privaten Wachdienste machen den Job billiger als Berufssoldaten und Bundespolizisten, die sich im Gegenzug auf ihre Kernaufgaben konzentrieren können.
Die Bundespolizei steuert und beaufsichtigt die Kontrollen an den Flughäfen, bei Gefahr schreitet sie ein, sie allein hat das Gewaltmonopol. Aber: Das „Massengeschäft“, Passagiere und Gepäck zu checken, nehmen ihr Private ab. Als der Präsident der Bundespolizei, Dieter Romann, Anfang des Jahres auf einer Tagung anregte, weitere Aufgaben den Privaten zu überlassen, ging die Gewerkschaft der Polizei auf die Barrikaden: „Keine Leiharbeit im Auftrag der Bundespolizei.“ Nach Lehnerts Angaben gehen mindestens 25 Prozent der Aufträge auf die öffentliche Hand zurück, im Osten deutlich mehr.
In zehn Bundesländern hat die Sicherheitswirtschaft Kooperationsvereinbarungen mit den jeweiligen Landespolizeibehörden unterzeichnet. Der letzte Coup: Im Saarland bewachen private Dienste Polizeidirektionen, die nachts leerstehen. Bundesweit gibt es 262 000 private Sicherheitskräfte, fast so viele wie Polizisten (etwa 275 000).
Bemerkenswert ist die Geschäftsgrundlage an den Flughäfen: Die Bundespolizei steuert die Kontrollen, entwickelt und beschafft Technik, während private Dienstleister das Personal stellen. Die Kosten werden den Fluggesellschaften in Rechnung gestellt. Die geben es über die Luftsicherheitsgebühr (Aufkommen: rund 500 Millionen Euro im Jahr) an die Passagiere weiter. Kein Wunder, dass der Stundenlohn in dem Bereich bei 17 Euro liegt – die Kosten werden schlicht weitergereicht.