Essen. . Die Landesregierung plant die Einführung eines NRW-weiten Tickets für Auszubildende: Lehrlinge sollen so mobil wie Studierende werden.

In den Zug einsteigen und quer durchs Land fahren – das geht für Studierende mit dem NRW-Semesterticket ganz bequem. Für Auszubildende dagegen endet die Fahrt oft bereits in der nächsten Stadt. Anders als ihre studierenden Altersgenossen profitieren Azubis nicht von den Vorzügen eines landesweiten Tickets.

Das will die schwarz-gelbe Landesregierung ändern und plant die Einführung eines landesweiten freiwilligen Azubi-Tickets. Seit dem Regierungswechsel im Juni 2017 steht das Verkehrsministerium mit Vertretern aus 15 Verkehrsverbünden, Gewerkschaften und Wirtschaftsverbänden im Austausch. In Arbeitsgruppen verhandeln sie darüber, unter welchen Bedingungen die Verkehrsverbünde ein landesweites Azubi-Ticket einführen können.

Angebot würde Attraktivität der Ausbildung erhöhen

„Azubis haben meist wenig Geld und oft weite Wege zur Ausbildungsstätte und zur Berufsschule“, begründet Ministeriumssprecher Bernhard Meier das Vorhaben. In NRW gibt es der Arbeitsagentur zufolge etwa 360 000 Azubis. Laut einer Umfrage des Westdeutschen Handwerkskammertags unter 835 Auszubildenden befürworten 93 Prozent der Befragten die Einführung eines Azubi-Tickets und 85 Prozent würden es nutzen, um zu ihrem Arbeitsplatz zu kommen. Vertreter der Wirtschaft zufolge steigert ein solches Angebot auch die Attraktivität der Ausbildung. „Es würde die Mobilität von Azubis erhöhen“, sagt Tanja Nackmayr von den Unternehmerverbänden NRW.

Azubis sollen preisgünstiger den Nahverkehr nutzen können.
Azubis sollen preisgünstiger den Nahverkehr nutzen können. © Frank Rumpenhorst

Wie sich in den Verhandlungen der Arbeitsgruppen zeigt, lässt sich das Konzept des Semestertickets nicht einfach auf ein mögliches Azubi-Ticket übertragen. „Die günstigen tariflichen Konditionen für das NRW-weite Ticket der Universitäten rühren daher, dass alle eingeschriebenen Studierenden den Semesterbeitrag dafür einzahlen müssen“, sagt Robert Schweizog von der IHK NRW. Dies sei bei Auszubildenden nicht angebracht, da die ÖPNV-Anbindung der Betriebe und Berufsschulen nicht vergleichbar gut mit der von Hochschulen sei, erläutert der Leiter der Bildungsabteilung, der die IHK am Verhandlungstisch vertritt.

Angebot muss freiwillig bleiben

Ein Ticket für Azubis müsse zudem ein freiwilliges Angebot bleiben, sagt André Busshuven, der für den Verband Freier Berufe NRW in den Arbeitsgruppen sitzt. „Wenn ein Auszubildender lieber mit dem Auto zur Arbeit fährt, kann man ihn nicht verpflichten, ein Ticket zu kaufen“, so Busshuven.

Spezielle Tickets für Auszubildende bieten die Verkehrsverbünde im Prinzip schon an. Die Preise für Azubi-Monatstickets beginnen beim Verkehrsverbund Rhein-Sieg (VRS), Westfalentarif und Aachener Verkehrsverbund (avv) bei etwa 45 Euro – mit dieser Preisstufe kann man aber nur innerhalb eines Wohnortes fahren. Will man bis zur nächsten oder übernächsten Stadt fahren, staffeln sich die Preise bis über 100 Euro. Jeder Verbund hat ein eigenes Tarifsystem.

Bislang bietet nur der Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR) ein verbundweites Ticket zum einheitlichen Preis ab 59,95 Euro an – bis zum nächsten Verbundraum ist wiederum ein Anschlussticket erforderlich. Ein landesweit einheitliches Ticket soll preisgünstiger sein als die bisherigen Angebote.

Finanzierung wird diskutiert

Das Land Hessen etwa hat im vergangenen Sommer ein landesweit gültiges Azubi-Ticket für 30 Euro eingeführt. In den Arbeitsgruppen in NRW haben die Beteiligten sehr verschiedene Vorstellungen davon, wie ein künftiges Ticket aussehen soll. „Es wird intensiv diskutiert, inwieweit ein verbundübergreifendes Ticket überhaupt finanzierbar ist“, sagt Robert Schweizog. Das schwierigste Problem sei, wie man die Tarif-Sprünge zwischen den Verbünden aushandele.

Ein Ticket, das verbundübergreifend gültig und dazu auch noch günstiger ist als die bisherigen Fahrscheinangebote, muss aus Sicht der Verkehrsbetriebe kostendeckend sein. Beim Westfalentarif, dem Verbund für die Region Münsterland und Ruhr-Lippe, stelle der Schülerverkehr das „Rückgrat des ÖPNV im ländlichen Raum“ dar, sagt Sprecher Uli Beele „Das sind zum Teil mehr als 80 Prozent der Umsätze“, so Beele. Ein Kompromiss müsse attraktiv für Azubis sein, dürfe andererseits die wirtschaftliche Basis des Nahverkehrs nicht gefährden.

>>> Hessen zahlt Zuschuss

  • Eine fraktionsübergreifende Kommission zur Zukunft des Handwerks und Mittelstands NRW empfahl, ein Ticket einzuführen, das Azubis mobiler machen soll. Die sogenannte Enquete-Kommission wurde 2015 unter Rot-Grün einberufen.
  • Das Land Hessen stellt in der dreijährigen Erprobungsphase des Schüler-Tickets einen Zuschuss zur Verfügung, um kurzfristige Verluste für die Verkehrsbetriebe auszugleichen. Auch in Thüringen und Sachsen wird über die Einführung diskutiert.