Düsseldorf. Ministerpräsident Laschet will im Revier einen neuen Ideen-Prozess starten. Das Land will Köpfe und Konzepte über mehrere Jahre fördern.
Das Instrument der „Unterrichtung“ des Landtags, also einer kleinen Regierungserklärung, nutzen Ministerpräsidenten in Nordrhein-Westfalen nicht allzu oft. Über Gegenwart und Zukunft des Ruhrgebiets wurde an solch prominenter Stelle im Parlament seit Jahren nicht mehr gesprochen. Regierungschef Armin Laschet (CDU) nahm am Mittwoch jedoch die Gelegenheit wahr und führte seine Pläne für eine Ruhrkonferenz unter dem Titel „Gemeinsam für Aufstieg, Sicherheit und Zukunft der Arbeit“ aus.
Wenn Ende des Jahres in Ibbenbüren und Bottrop die letzten Zechen schließen, gehe ein bedeutendes Kapitel Industriegeschichte zu Ende, sagte Laschet. Der Bergbau im Revier sei lange Motor für Wachstum und Innovation in ganz Deutschland gewesen. Wenn nun die letzte Schicht gefahren werde, seien Wehmut und Nostalgie „berechtigt und verständlich“. Doch müsse vom Ende der Kohle „ein Signal des Aufbruchs“ für die Region ausgehen.
Wichtigste Akteure und beste Ideen sollen in der Ruhrkonferenz zusammenfinden
Wie bereits 1979 und 1988 soll eine „Ruhrkonferenz“ die wichtigsten Akteure und besten Ideen zusammenführen. Doch anders als damals ist nicht mehr an eine Art große Geberkonferenz oder prominente Initialzündung gedacht. Im schwarz-gelben Koalitionsvertrag steht zwar noch, dass man 2018 „mit Europäischer Kommission und Bundesregierung“ eine gemeinsame Konferenz zur Zukunft des Ruhrgebiets durchführen werde. Doch Laschet und der für die Koordination aller Ruhr-Aktivitäten zuständige Minister Stephan Holthoff-Pförtner (CDU) denken inzwischen eher an einen dynamischen Prozess als an einen festen Konferenz-Termin.
Der Unterschied früherer Ruhrgebietskonferenzen zu heute bestehe darin, dass es damals um die akute Bewältigung der Montankrise gegangen sei. „Heute ist keine Krisenzeit, sondern eine Zeit der Chancen“, sagt Laschet. Die Landesregierung verfolge deshalb den Ansatz, Ideen für das Ruhrgebiet aus möglichst vielen Gesellschaftsbereichen zu sammeln „und dann anzupacken“.
Das Revier sende ja hoffnungsvolle Zeichen. Die Arbeitslosenquote liege erstmals seit 1980 im einstelligen Bereich. Der Tourismus boome im achten Jahr in Folge. Die Zahl der Ausbildungsbildungsplätze wachse überdurchschnittlich. Investoren würden zunehmend Standortvorteile wie Hochschuldichte, europäische Mittellage, Sportstätten, industrielles Knowhow oder die für einen Fünf-Millionen-Ballungsraum ungewöhnlich zahlreichen Grüngebiete erkennen. Was nun folgen solle, seien innovative Konzepte für Wohnen, Verkehr, Gründerkultur, Wissenschaftsstandort und zukunftsträchtige Arbeitsplätze.
Laschets Minister sollen in den nächsten Jahren mit Experten aus der Region jeweils ein „Tandem“ bilden und gute Ideen vorantreiben. Ein Projektbüro der Landesregierung soll auf Zollverein in Essen Ansprechpartner und Gelenkstelle des Aufbruchs werden. Da es dem Ruhrgebiet noch nie an akademischen Selbstfindungsprozessen gefehlt hat, will Laschet möglichst konkrete und für Jedermann spürbare Ergebnisse. Dazu gehöre auch die Verbesserung der Sicherheitslage in Problemvierteln oder die Aufwertung von Schulen in schwierigem Umfeld. Es sei falsch, dass die besten Viertel die besten Schulen hätten, weil dort gut verdienende Eltern in den Fördervereinen alles möglich machten. Das Land werde 30 Vorzeigeschulen mit Top-Ausstattung bewusst in Brennpunkten etablieren.
SPD kritisiert Pläne als „ziellos und inhaltsleer“
Der neue Oppositionsführer Thomas Kutschaty (SPD) nannte Laschets Vorstellungen „ziellos, ambitionslos, inhaltsleer“. Das Revier habe kein Analyseproblem, sondern benötige drei zentrale Reformen: einen kommunalen Altschuldenfonds, eine Entlastung bei den hohen Sozialausgaben und eine neue regionale Strukturförderung.
>>> Vorbilder
- Das „Aktionsprogramm Ruhr“ (1979) war zehn Milliarden Mark schwer, unter anderem wurde die Forschungslandschaft gefördert. Auf die „Montankonferenz“ von 1988 geht die IBA Emscherpark zurück.