Essen. . 13-jähriger Schüler aus Schwerte gründete Sorgen-Telefon und klärt Politiker im Landtag über Online-Mobbing auf. Expertin warnt vor Hass im Netz.
Erst verteidigte er eine Schülerin, die von der ganzen Klasse gemobbt wurde. Anschließend wurde Lukas Pohland selbst zum Opfer von Angriffen im Internet. Seine Klassenkameradin wechselte später aus Verzweiflung die Schule, Lukas aber gründete ein Sorgen-Telefon und bietet seither mit anderen Jugendlichen eine Cybermobbing-Beratung an.
Am Mittwoch nun soll der 13-jährige Schüler aus Schwerte vor dem Schulausschuss des Landtags über seine Erfahrungen mit Mobbing im Internet berichten. Dass ein Schüler als Experte zu einer Sachverständigen-Anhörung des Landtags eingeladen wird, ist eher ungewöhnlich, doch nimmt er nicht ohne Grund neben Wissenschaftlern, Psychologen und Kinderschützern Platz. Denn der Schüler will erklären, was er von der Politik erwartet und was ihn bewogen hat, eine Cybermobbing-Hilfe ins Leben zu rufen. In einem Brief an Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) hat er das bereits getan. Da er selbst zum Opfer wurde, könne er sehr gut beurteilen, „dass man so gut wie keine Unterstützung von der Schule erhält“, schreibt der Schüler. Am Ende landete sein Fall bei der Polizei.
„Vor dem Mobbing im Internet kann man nicht weglaufen. Es verfolgt einen.“
Cybermobbing sei etwas anderes als Hänseln und Ärgern auf dem Schulhof, sagte er kürzlich den Ruhr Nachrichten. „Vor dem Mobbing im Internet kann man nicht weglaufen. Es verfolgt einen. Es ist im Bus da, einfach überall, bei WhatsApp, auf Facebook, überall. Im Internet braucht man ja keinen Mut, man ist anonym“, sagte er.
„Es zeigt sich in den letzten Jahren, dass das gezielte Fertigmachen von einzelnen Personen im Netz zu einem immer größeren Problem wird“, erklärt Catarina Katzer. Die Kölner Sozialpsychologin befasst sich seit 15 Jahren mit dem Thema Cybermobbing und weist in ihrer Stellungnahme an den Landtag auf eine besorgniserregende Entwicklung hin: „Cybermobbing wird immer mobiler: Smartphones werden zur digitalen Waffe.“ Die Technik mache es den Tätern leicht: Innerhalb von Sekunden können mit dem Handy aufgenommene Fotos oder Videos, die Belästigungen eines Mädchens in der Sporthalle, eine Prügelei auf dem Schulhof oder einen heimlich gefilmten Schüler auf der Toilette zeigen, über soziale Netzwerke für alle sichtbar und öffentlich gemacht werden, schildert Katzer.
Die Wissenschaftlerin stellte zudem fest, dass die „Cybermobber“ immer jünger werden. „Grundschüler sind deutlich stärker betroffen als früher“, sagt sie. Jeder zweite Grundschullehrer wisse von Cybermobbingfällen. Dies scheint wenig verwunderlich, denn immer mehr auch jüngere Kinder besitzen heute ein internetfähiges Handy. Catarina Katzer: „Gerade bei Grundschülern fehlt der weitreichende Blick, welche Auswirkungen solche Handlungen haben können. Viele finden es einfach nur lustig.“ Für die Opfer aber seien die Folgen nicht selten dramatisch: Diese könnten sich in selbstverletzendem Verhalten (Ritzen) äußern, viele seien dauerhaft traumatisiert.
Grüne fordern Fortbildung für Lehrer
Für die Grünen, die die Anhörung beantragt hatten, ist das ein alarmierender Trend. Wie Schulpsychologen, Präventionsexperten und der Deutsche Kinderschutzbund fordern die Grünen, das Thema Cybergewalt in der Lehrerausbildung sowie in der Fortbildung stärker zu verankern. Auch die Eltern müssten für das Thema sensibilisiert werden. Zudem solle die Zusammenarbeit von Schulen, Polizei und Fachberatungsstellen gestärkt werden. Sozialpsychologin Katzer regt zudem ein Schulfach „Digitale Bildung“ an. Wie auch der Kinderschutzbund plädiert sie für einen sogenannten Notfall-Button: Wer sich angegriffen fühlt, soll über einen SOS-Knopf, den alle Plattform-Betreiber einrichten müssten, Hilfe in Anspruch nehmen können.
Der 13-jährige Lukas Pohland ließ sich von seinen Mitschülern nicht einschüchtern. Er suchte Hilfe und ging dann selbst in die Offensive. „Mobben ist uncool“, sagte er. „Helfen ist cool.“
>>> 20 Prozent betroffen
- Laut der JIM-Studie 2017 wissen rund 40 Prozent der Jugendlichen, dass in ihrem Bekanntenkreis jemand im Internet fertig gemacht wurde. Etwa 20 Prozent waren selbst von beleidigenden oder falschen Informationen über sich betroffen.