Washington/Tunis/Moskau. Donald Trump wirkt ruhig, aber angespannt. Es ist Freitagabend, 21 Uhr, als er im Weißen Haus vor die Mikrofone tritt. Der Präsident erklärt zum zweiten Mal in seiner erst 14 Monate währenden Amtszeit dem Volk eine militärische Intervention in einer Pulverfass-Region. 9500 Kilometer entfernt fliegen US-Bomber und Jets der Briten und Franzosen ihre Ziele an. Ein US-Zerstörer im Roten Meer schießt Raketen ab. Erste Lichtblitze am nächtlichen Himmel über der syrischen Hauptstadt Damaskus, gefolgt von schweren Explosionen und dunklen Rauchsäulen.

Donald Trump wirkt ruhig, aber angespannt. Es ist Freitagabend, 21 Uhr, als er im Weißen Haus vor die Mikrofone tritt. Der Präsident erklärt zum zweiten Mal in seiner erst 14 Monate währenden Amtszeit dem Volk eine militärische Intervention in einer Pulverfass-Region. 9500 Kilometer entfernt fliegen US-Bomber und Jets der Briten und Franzosen ihre Ziele an. Ein US-Zerstörer im Roten Meer schießt Raketen ab. Erste Lichtblitze am nächtlichen Himmel über der syrischen Hauptstadt Damaskus, gefolgt von schweren Explosionen und dunklen Rauchsäulen.

„Das Ziel unseres Vorgehens ist es, eine harte Abschreckung gegen jeden zu errichten, der Chemiewaffen produziert, verteilt und einsetzt“, sagt Trump und meint damit vor allem Baschar al-Assad. Er macht Syriens Diktator für den mutmaßlichen Giftgasangriff vom 7. April in der Stadt Duma verantwortlich, bei dem mehr als 40 Zivilisten getötet und Hunderte verletzt wurden. „Dies sind nicht die Taten eines Mannes“, sagt Trump und legt eine Kunstpause ein, „es sind die Verbrechen eines Monsters.“

Damit sie sich möglichst nicht wiederholen, hat das von Washington angeführte Dreier-Bündnis nach tagelanger Sondierung drei Ziele ausgemacht, deren Zerstörung den erneuten Gebrauch von völkerrechtlich geächteten Stoffen wie Chlorgas und Sarin durch das Regime erschweren soll: In Damaskus trifft es ein chemisches Forschungsinstitut. Nahe der nördlich gelegenen Stadt Homs werden zwei Militäreinrichtungen in Schutt und Asche gelegt, in denen Chemikalien zur Giftgasproduktion lagern.

USA wollten Konfrontation mit Russland vermeiden

Nach weniger als einer Stunde ist die Blitzaktion, bei der es laut Pentagon keine zivilen Opfer gegeben hat, vorbei. Noch bevor Trump sich in seine Privaträume zurückzieht, melden Verteidigungsminister James Mattis und Generalstabschef Joseph Dunford „erfolgreichen Vollzug“. So erfolgreich, dass Trump am Samstag von einem „perfekt durchgeführten Luftschlag“ sprechen wird. Bilanz: „Wir hätten kein besseres Ergebnis haben können. Mission erfüllt!“

Das sieht der Gegenspieler Washingtons im Bürgerkriegsland Syrien erwartungsgemäß anders. Nach russischen Angaben hat die syrische Luftabwehr 71 der 103 Geschosse neutralisiert, teilt Generaloberst Sergej Rudskoj mit. Moskaus Botschafter in Washington, Anatoli Antonow, droht nebulös mit „Konsequenzen“ und spricht von einer „völkerrechtswidrigen Aggression“.

Noch bevor auf Antrag Russlands in New York der UN-Sicherheitsrat zu einer Sondersitzung zusammenkommt, gibt Staatspräsident Wladimir Putin, der sich als Schutzpatron Assads begreift, die Lesart vor: „Die USA verschlimmern die humanitäre Situation nur weiter, unter der die Menschen in Syrien schon so leiden. Sie begünstigen tatsächlich die Terroristen, die das syrische Volk schon seit sieben Jahren quälen, und provozieren eine neue Flüchtlingswelle aus dem Land und der ganzen Region“, stellt der erste Mann im Kreml fest und gibt einen düsteren Ausblick: „Die gegenwärtige Eskalation der Situation in Syrien hat eine verheerende Wirkung auf die gesamten internationalen Beziehungen.“

Die von Russland eingebrachte Resolution scheitert dann aber im UN-Sicherheitsrat. Nur Russland, China und Bolivien stimmten für das Papier, das eine „Verurteilung der Aggression gegen Syrien durch die USA und ihrer Verbündeten in Verletzung internationaler Gesetze und der UN-Charta“ vorsah.

Dabei ließen Verteidigungsminister Mattis und Generalstabschef Dunford überdeutlich durchblicken, dass bei der eng eingegrenzten Strafaktion peinlich darauf geachtet worden sei, „das Risiko einer Verwicklung russischer Truppen abzumildern“. Über eine Standleitung mit dem russischen Militär habe man dafür Sorge getragen, dass der Luftraum über den Zielorten frei blieb, um eine direkte Konfrontation zu vermeiden, die zu einer Eskalation zwischen den beiden Atommächten hätte führen können. Auch sei es nie darum gegangen, das „syrische Regime abzusetzen“. Zweck der Militärschläge sei allein gewesen, „Syriens Fähigkeit zu lähmen, künftig Chemiewaffen einzusetzen“.

Ali Chamenei, den obersten Führer der zweiten Schutzmacht Assads, Iran, stellten die Beteuerungen nicht zufrieden. „Ich sage es ganz offen: Die Angriffe waren ein Verbrechen, und die drei an den Angriffen beteiligten Regierungschefs sind dementsprechend Verbrecher“, erklärte der Ajatollah. Den Appell von Donald Trump, sich von Assad zu distanzieren und „zusammen mit zivilisierten Nationen eine Kraft für Frieden und Stabilität zu werden“, wies Chamenei als töricht ab.

Die Zahl der Angriffe und abgefeuerten Raketen der US-geführten Kleinkoalition war diesmal wohl doppelt so hoch wie vor einem Jahr nach dem Giftgasangriff auf die nordsyrische Stadt Khan Sheikhoun. Damals feuerten US-Kriegsschiffe im Mittelmeer 59 Marschflugkörper ab und zerstörten Landebahn und Flugzeugbunker auf der Luftwaffenbasis Shayrat, die sich jedoch reparieren ließen. In welchem Maße die jetzigen Angriffe erfolgreich waren, ist offen. Das Pentagon behauptet, alle Ziele seien getroffen worden. Dass es weitere Chemiewaffen-Depots in Syrien gibt, könne aber nicht ausgeschlossen werden. Gleichwohl, so Verteidigungsminister Mattis, seien bis auf Weiteres keine neuen Militäraktionen geplant.

Auch der neuerliche westliche Angriff dürfte das Regime in Damaskus nicht sonderlich beeindrucken oder gar seine Entschlossenheit bremsen, ganz Syrien mit allen Mitteln wieder in seine Gewalt zu bringen. Angst und Schrecken in der Zivilbevölkerung sollen dabei Druck auf die bewaffneten Gruppen ausüben, zu den Bedingungen Assads zu kapitulieren. So auch vergangene Woche in Ost-Ghuta: Stunden nach dem Giftgas-Einsatz willigte die kampfstarke Jaish al-Islam in Duma in ihren Abzug ein, sodass das Regime einen verlustreichen Häuserkampf vermeiden konnte. Mit Bussen wurden die Dschihadisten und ihre Angehörigen nach Nordsyrien evakuiert.

Für Assad ist die Rückeroberung von Ost-Ghuta ein ähnlich spektakulärer Machterfolg wie ein Jahr zuvor der Sieg über die Rebellen in Ost-Aleppo. Damit kontrolliert der Diktator jetzt nahezu das gesamte Staatsgebiet und muss keinen nennenswerten militärischen Widerstand mehr fürchten, die neben wenigen Mini-Enklaven nur noch die Nordprovinz Idlib beherrschen.

In Damaskus kreisten nach dem letzten Raketeneinschlag Autokorsos mit syrischen Fahnen durch die Straßen. Die Bewohner ließen die Armee und Baschar al-Assad hochleben. „Baschar, wir folgen deinen Befehlen. Und wenn die Welt in Flammen aufgebt“, skandierten einige.