Mülheim. . Der aus Mülheim stammende Comedian ist erstmals solo unterwegs. Für sein Programm „Animiert“ gilt: „Je härter das Thema, umso besser der Gag“.

Wäre Hany Siam kein Comedian, würde er die Beziehungen zwischen Deutschland und der arabischen Welt gestalten: Mitten in seinem Orientalistik-Studium stürmte der aus Mülheim kommende 32-jährige Gesichtsakrobat mit ägyptischen Wurzeln auf die Bühnen. Groß wurde er als Teil des Ensembles RebellComedy, nun ist er erstmals solo mit seinem Programm „Animiert“ auf Tour.

Gordon Wüllner hat von ihm erfahren, was man erwarten kann: kantigen Humor nach amerikanischem Vorbild.

Hany, 2014 haben wir in der Mülheimer WAZ über dich geschrieben: „Wenn Hany Siam durch seine Heimatstadt läuft, klopfen ihm Fans auf die Schulter. Noch passiert dem Komiker das selten, doch das soll sich jetzt ändern.“ Wie ist es heute, wenn du durch Heißen läufst?

Hany Siam: Vor wenigen Jahren habe ich erfahren, dass ich eigentlich aus Holthausen komme. Ich dachte immer, ich komme aus Heißen, aber dann haben mir verschiedene Apps etwas anderes angezeigt, als ich den Fahrplan nach Hause suchen wollte. Tja, ich habe mir „Heißen“ schon auf den Körper tätowiert – jetzt ist es wohl zu spät (lacht). Aber zu deiner Frage: Ich besuche zwar regelmäßig meine Eltern in Mülheim, aber ich bin nicht so oft auf den Straßen unterwegs. Deswegen ist es nicht so, dass mir dort die Groupies hinterherjagen (lacht). In Köln ist das schon anders, da ist der Altersdurchschnitt auch ein ganz anderer.

Auftritte im Rheinland, besonders in Köln

Kann man es in Mülheim nicht schaffen, als Comedian groß herauszukommen?

Kann man schon, aber die Stand-Up-Comedy-Szene in Mülheim ist sehr schwach. Ich hatte in meiner Anfangszeit deswegen oft Auftritte im Rheinland, besonders in Köln. Das waren aber nur ganz kurze Auftritte, meist bei Shows mit vielen verschiedenen Künstlern. Es war nicht so effektiv, für diese kurzen Auftritte immer wieder nach Köln zu pendeln, deswegen dachte ich mir dann: Zieh doch einfach dorthin. Vom einen auf den anderen Tag war ich dort – für Zwischenmiete in einer WG, ohne eigene Möbel, Ersparnisse und großen Besitz.

Da warst du Mitte 20 und standest erstmals richtig auf Bühnen. Wie kommt man darauf, es als Comedian zu versuchen, wenn man gar kein Bühnenkind ist?

Ich war immer großer Fan der amerikanischen Sitcoms, von „Scrubs“ oder „King of Queens“. Diesen amerikanischen Stil – einen visuellen, facettenreichen, spontanen Humor mit viel Mimik – gab es in Deutschland nicht. Wir hatten Comedians wie Ausbilder Schmidt oder Cindy von Marzahn. Die haben Großes geleistet, nur war deren Programm recht eindimensional. Sie sind in Rollen geschlüpft, es gab nur ein Thema. Ich habe es immer mehr gemocht, wenn die Künstler ihre eigene Persönlichkeit und Haltung einbringen. Was das angeht, ist die US- Comedy viel weiter gewesen. Ich wollte das ändern – auch weil mir der amerikanische Stil sehr liegt, wegen meiner Mimik und schrägen Stimme.

Siam will Sitcom-Stil auf die Bühne bringen

Aber an einer Sitcom hast du bis jetzt nicht mitgewirkt.

Das könnte in nächster Zeit folgen. Bei RebellComedy versuchen wir neue Formate zu entwickeln. Leider ist die Sitcom-Kultur in Deutschland nicht so ausgeprägt. Wir sind noch in diesem Soap-Zeitalter, dieser Voyeurismus-Phase, wo man sehen möchte, wie die Leute leben. Bis dahin versuche ich, diesen Sitcom-Stil auf die Bühne zu bringen, ich habe viele Dialoge zwischen verschiedenen Charakteren. . .

. . . vor allem inspiriert von Alltagssituationen, oder?

Nicht nur, ich habe auch viele Themen mit Ecken und Kanten, zum Beispiel mache ich Gags über Nekrophile oder Obdachlose. Deswegen heißt das Programm auch „Animiert“: Der Hintergedanke ist, dass ich harte, tragische Themen finde und daran das Lustige finde. Jeder von uns kennt Comics, Animes, Trickfilme: Wenn dort etwas Ungemütliches passiert, ist es für uns viel einfacher, es zu verdauen, dann hat es etwas Leichtes. Ich versuche das genauso zu machen – und das ist die Herausforderung.

Da ist die Gefahr natürlich groß, dass sich gewisse Gruppen auf den Schlips getreten fühlen.

Zum Glück wird sich kein Nekrophiler beschweren und damit outen (lacht). Ehrlich gesagt ist mir das relativ egal, in Deutschland legen wir viel zu viel auf die Goldwaage. Viele Comedians wollen deswegen jedem gefallen. Aber daraus resultiert nichts Außergewöhnliches.

Wo die Grenzen des Genres liegen

Gibt es für dich trotzdem Grenzen? Was wäre, wenn ein hellhäutiger, privilegierter Komiker das N-Wort benutzen würde?

Ich bin da unsensibel, aber für mich gilt der Grundsatz: Je härter das Thema, umso besser muss der Gag sein. Wenn jemand als weißer, privilegierter Mann das N-Wort verwendet und kein durchdachter Witz folgt, dann soll er seinen Shitstorm genießen.

Aber wenn man es brillant macht, ist das ein Weg, das Tabu zu enttabuisieren.

Deine RebellComedy-Kollegen PU und Ususmango sind bald in Mülheim zu sehen. Und wann lässt du dich hier mal blicken?

Ich weiß von vielen Mülheimern, dass sie nach Duisburg kommen werden. Das Grammatikoff dort ist einfach perfekt für Stand-Up-Comedy. Ich bin schon öfter dort aufgetreten und habe viele schöne Erinnerungen daran. Deswegen habe ich mir bewusst diesen Stopp ausgesucht. Aber es wird nur eine Frage der Zeit sein, bis ich wieder Halt in Mülheim mache.

>>> REBELLCOMEDY IM RUHRGEBIET

Hany Siam ist mit „Animiert“ in Dortmund (12. April, vom FZW verlegt ins Theater Fletch Bizzel, Humboldtstr. 45!) und Duisburg (27. 4., Grammatikoff) zu sehen. Nächste Termine: Münster, Köln.

Auf Facebook (facebook.com/hany.siam/) und Instagram (instagram.com/hany_siam/) gibt’s Ausschnitte aus dem Programm.

PU, der wie Hany Siam Teil vom RebellComedy -Kollektiv, ist mit seinem Programm „Lange Rede, gar kein Sinn“ am Donnerstag, 12. April, im Ringlokschuppen zu sehen. Ensemble-Mitglied Ususmango besucht den Ringlokschuppen am Donnerstag, 3. Mai. Mehr Informationen zur Gruppe gibt es im Internet auf www.rebellcomedy.net