Berlin. . Leyla Bilge läuft vorneweg. Gemeinsam mit anderen Frauen hält sie ein Transparent hoch: „Es reicht! Frauenmarsch. Wir sind kein Freiwild.“ Bilge ist AfD-Politikerin, Kurdin und zum Christentum konvertierte Muslima. Sie hat mobilgemacht für diese Demonstration. Gut 500 Menschen sind ihrem Aufruf gefolgt. Die Mehrheit: Männer. Unter ihnen Pegida-Chef Lutz Bachmann und laut Sicherheitsbehörden auch bekannte Rechtsextremisten, Anhänger der Reichsbürger-Szene und der rechtsradikalen „Identitären Bewegung“.

Leyla Bilge läuft vorneweg. Gemeinsam mit anderen Frauen hält sie ein Transparent hoch: „Es reicht! Frauenmarsch. Wir sind kein Freiwild.“ Bilge ist AfD-Politikerin, Kurdin und zum Christentum konvertierte Muslima. Sie hat mobilgemacht für diese Demonstration. Gut 500 Menschen sind ihrem Aufruf gefolgt. Die Mehrheit: Männer. Unter ihnen Pegida-Chef Lutz Bachmann und laut Sicherheitsbehörden auch bekannte Rechtsextremisten, Anhänger der Reichsbürger-Szene und der rechtsradikalen „Identitären Bewegung“.

Die Demonstrantinnen sehen sich selbst als „Feministinnen“. Und sie sagen, sie würden sich als Frauen bedroht fühlen. Von Flüchtlingen, von muslimischen Männern. Ihre Parolen richten sich vor allem gegen die Politik von Bundeskanzlerin Angela Merkel. „Wir sind hier in Deutschland im 21. Jahrhundert, es darf keinen Rückfall ins Mittelalter und schleichende Einführung der Scharia geben“, hieß es auf der Facebook-Seite des Marsches. Eine Kundgebung für Frauenrechte mischt sich mit Islamhass und Anti-Establishment-Getöse.

Schon immer war extreme rechte Politik dominiert von Männern. Doch schon immer spielten auch Frauen im rechtsextremistischen Milieu eine Rolle: Einige mischen sich unter die Skinheads, andere gründen Frauen-Ableger der Neonazi-Partei NPD, wieder andere leben „völkisch“ zurückgezogen auf Bauernhöfen. In den vergangenen Jahren drängen Frauen in der Szene stärker in den Vordergrund: als Buchautorinnen, als Rednerinnen, als Bloggerinnen, Musikerinnen oder Journalistinnen.

Unter dem Hashtag „#Aufschrei“ und „#MeToo“ diskutierten Politiker, Künstler und Schauspieler zuletzt heftig über Gewalt gegen Frauen. Seit der Silvesternacht 2015 facht auch immer wieder die Debatte über Übergriffe von Mi­granten auf Frauen auf. Geschickt nutzen rechtsextreme Frauen die sozialen Netzwerke wie Youtube, Facebook und Twitter, um sich in diese Debatte hineinzudrängen.

Vor allem der „Identitären Bewegung“ (IB) ist es gelungen, mit wenigen Frauen viel Aufmerksamkeit zu generieren. Das registrieren auch die Sicherheitsbehörden. Der Anteil der Frauen in der Gruppe liege höher als in anderen rechtsextremen Organisationen oder Kameradschaften, sagt Brandenburgs Verfassungsschutz-Chef Frank Nürnberger dieser Redaktion. „Die Gruppe gibt sich in ihrer Propaganda akademisch und intellektuell, das zieht radikale Frauen offenbar mehr an als etwa stark männerdominierte rechtsextreme Kameradschaften oder Parteien wie die NPD.“

Als „rechte Poster-Girls“ oder „rechte Influencerinnen“ werden Frauen wie Melanie Schmitz stilisiert. Im sozialen Netzwerk Instagram hat die Studentin mehrere Tausend Anhänger. Vor Kurzem postete Schmitz ein Foto von sich – und schrieb: „Ihr findet meine Haare scheiße? Schade. Ihr findet meine Piercings scheiße? Schade.“ Und dann: „Vielleicht fangt ihr mal lieber an, mich nach meinen politischen Handlungen zu bewerten, anstatt nach meinem Aussehen.“ Schmitz zeigt sich als starke Frau. Die IB will hip sein und jung. Gewalt lehne die Gruppe ab, den Nationalsozialismus auch. Die Mitglieder klettern lieber mit Transparenten auf das Brandenburger Tor oder kapern die Geschäftsstelle der Grünen. Es sind Aktionen, die eher an Umweltschützer von Greenpeace erinnern.

Für die Sicherheitsbehörden sind Frauen wie Schmitz nicht harmlos. Die Gruppe wird vom Verfassungsschutz beobachtet. „Ihr Ziel ist vergleichbar mit einer völkisch-nationalistischen Bewegung der Weimarer Republik“, sagen Rechtsextremismus-Forscher wie Matthias Quent. Die IB habe nur das Wort Rasse durch das Wort Identität ausgetauscht. Muslime und Zuwanderer aus dem türkischen oder arabischen Raum würden oft als „Besatzer“ angesehen, sagt der Verfassungsschutz. Feminismus ja – aber bitte nur für „weiße“ Frauen.

Eine Gruppe junger Frauen inszeniert sich in einem Werbevideo als Vertreterinnen von Vergewaltigungs- und Mordopfern. Sie führen dabei Fälle an wie den Mord an einem Mädchen in Freiburg, begangen durch einen Flüchtling aus Afghanistan. Die rechten Frauen machen aus Einzelfällen einen Generalverdacht gegen Flüchtlinge. Schnell kippt ihre Rolle – vom Opfer zum Ankläger. Man werde „zurückschlagen“. Hier trifft sich die IB mit der Ideologie alter Neonazi-Kader.

In einem anderen Video der „Identitären“ tritt Annika S. auf, die den „anti-feministischen“ Blog „radikal feminin“ betreibt. Dort wollen sie zeigen, dass das „klassische Rollenbild von Mann und Frau alles andere als veraltet“ sei. Das Leben als „Ehefrau, Hausfrau und Mutter“ könne „sehr erfüllend“ sein. Feindbild rechter Aktivistinnen sind Feministinnen von links, die sich gegen Männerdominanz und Sexismus richten.

Frauen häufiger bei Kampagnen dabei

Doch nicht immer geht es um Weiblichkeit. Frauen mischen zunehmend auch bei Aktionen mit Männern mit, die allerdings fast immer auch von Männern geplant sind. Lauren Southern ist in Amerika ein Star der Szene. Und pflegt Kontakte nach Europa. Mit anderen „Identitären“ fuhr sie mit einem Schiff ins Mittelmeer. Dort wollten die Rechten die Schiffe der Flüchtlingshelfer blockieren, die Menschen in Schlauchbooten aus Seenot retten. Southern kommt bei der Aktion kurzzeitig in Polizeigewahrsam.

Selbst bei den „Identitären“ stünden Frauen mehr im Mittelpunkt, sagt Verfassungsschützer Nürnberger. „Doch es zeigt sich, dass die Führungsfiguren auch dort weiterhin vor allem Männer sind.“ Auch ein Blick auf die neurechten Szene-Größen verrät: Es dominieren weiterhin die Männer. Pegida-Gründer Bachmann, Verleger Götz Kubitschek, AfD-Provokateure wie Björn Höcke oder André Poggenburg. Und bei den „Identitären“ sind es Jüngere wie Martin Sellner, Daniel Fiß oder Robert Timm.