Düsseldorf. . Fraktionschef Norbert Römer will seine Erbfolge voreilig regeln und serviert den Genossen ein fertiges Führungsquartett. Abgeordnete rebellieren.
Von einer politischen Osterpause spüren die Landtagsabgeordneten der SPD wenig. Permanent wird telefoniert und spekuliert, fliegen SMS mit neuesten Wasserständen hin und her. Hintergrund der Betriebsamkeit ist die nahende personelle Neuaufstellung der größten Oppositionspartei in NRW. Am Ende geht es schließlich auch um eine Vorentscheidung der Frage, welcher SPD-Kandidat 2022 Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) herausfordern wird.
Eigentlich hatten sich die Sozialdemokraten ein geordnetes Verfahren vorgenommen. Beim Landesparteitag am 23. Juni in Bochum will Landeschef Michael Groschek (61) aus dem Amt scheiden. Für Ende Mai hat Landtagsfraktionschef Norbert Römer (71) seinen Rückzug angekündigt. Die beiden Vertrauten von Ex-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft hatten nach der verheerenden Landtagswahlniederlage übergangsweise das Machtzentrum der NRW-SPD gebildet, um während des Bundestagswahlkampfes und der zähen Berliner Regierungsbildung den Laden zusammenzuhalten.
Findungskommission tagt im April erstmals
Groschek setzte dann Mitte März eine Findungskommission ein, um „einen konsensorientierten, breit tragfähigen Personalvorschlag“ für eine verjüngte neue SPD-Spitze zu entwickeln. Doch bevor die Kommission am 13. April überhaupt zum ersten Mal tagen konnte, ist der Frust groß.
„Wenn dieses Vorgehen der viel gelobte Neuanfang ist, können wir gleich einpacken“, schimpft ein Abgeordneter. Denn längst ist durchgesickert, dass im kleinsten Kreis ein von persönlichen und regionalen Interessen geleitetes „SPD-Kleeblatt“ ausgeheckt wurde. Römer soll seine rechte Hand aus dem mächtigen Parteibezirk Westliches Westfalen, den Parlamentarischen Geschäftsführer Marc Herter (43, Hamm), als neuen Fraktionschef durchsetzen wollen. Dafür würde Hoffnungsträgerin Sarah Philipp (35) aus Duisburg (Parteibezirk Niederrhein) zur Parlamentarischen Geschäftsführerin aufsteigen. Der recht unbekannte Bornheimer Bundestagsabgeordnete Sebastian Hartmann (40, Mittelrhein) soll Landesparteichef und die Dortmunder SPD-Vorsitzende Nadja Lüders (47, Westliches Westfalen) Generalsekretärin werden.
Insbesondere die 69-köpfige Landtagsfraktion, die ihren Vorsitzenden eigentlich in geheimer Wahl kürt, rebelliert gegen das servierte Führungsquartett. Der Unmut ist so groß, dass Parteichef Groschek angeblich die erste Sitzung der Findungskommission eilig auf kommenden Sonntag vorziehen will.
Weder Herter noch Hartmann wird von vielen Abgeordneten zugetraut, Laschet herausfordern und die SPD aus dem tiefen Oppositionstal herausführen zu können. Bissig wird intern darauf hingewiesen, dass beide ihr Jura-Studium abgebrochen und kaum Erfahrung jenseits von Partei und Parlamenten vorzuweisen hätten. Dabei werde es 2022 darum gehen, dem gewiss sympathischen, aber zuweilen sprunghaften und fehleranfälligen Laschet mit einem seriösen Gegenentwurf die Mitte streitig zu machen.
So richten sich in der Landtagsfraktion viele Augen auf Ex-Justizminister Thomas Kutschaty (49) und den Kölner Rechtsanwalt Martin Börschel (45). Beide werden zu einer Kampfkandidatur gegen Herter ermutigt. 30 der 69 Landtagsabgeordneten stammten zwar aus Römers Bezirk Westliches Westfalen, aber falls sich Börschel und Kutschaty nicht gegenseitig blockierten, sei Herters Erbfolge „keineswegs ausgemacht“, heißt es in Fraktionskreisen.
Börschel lehnte Parteivorsitz ab
Thomas Kutschaty ist als Essener SPD-Chef an der Basis verankert und hätte die Statur zum Laschet-Herausforderer. Dass er jedoch nach der Landtagswahl-Pleite einen Putsch gegen Römer kurzerhand absagte und vergeblich gegen die Große Koalition in Berlin Stimmung machte, wird ihm als strategische Schwäche ausgelegt.
Martin Börschel gilt derweil als kluger Polit-Manager, der die Probleme der Regierung Kraft schon messerscharf analysierte, als andere noch Klatschmärsche für sie organisierten. Allerdings weiß Börschel, dass ihm das volkstümliche SPD-Gen fehlt. Deshalb lehnte er dankend ab, als Emissäre bei ihm jüngst sondierten, ob er nicht Groscheks Nachfolger im Landesvorsitz werden wolle.
>>> SPD zählt 114 000 Mitglieder in NRW
- Die Debatte über eine Beteiligung an der Bundesregierung hat der NRW-SPD eine Eintrittswelle beschert. Von Januar bis März gewann die Partei 6300 Neumitglieder. Im ganzen Jahr 2017 waren es 8000. Ausgetreten sind im ersten Quartal 2018 rund 2250 Mitglieder. Ein SPD-Parteibuch haben rund 114 000 NRW-Bürger.