Essen. . Angesichts drohender Fahrverbote für Diesel-Autos zweifelt Grünen-Fraktionsvize Oliver Krischer am Sinn von Sperrungen einzelner Straßen.
Angesichts drohender Fahrverbote für Diesel-Autos zweifeln die Grünen im Bundestag am Sinn von Sperrungen einzelner Straßen. „Wenn eine bestimmte Strecke für ältere Diesel-Pkw gesperrt wird, weichen natürlich die Fahrzeuge auf alternative Strecken aus“, sagte Grünen-Fraktionsvize Oliver Krischer unserer Redaktion. Diese Straßen seien allerdings bereits jetzt vielfach hoch belastet und hier drohe dann ebenfalls ein Fahrverbot. „Das ganze könnte sich dann als Kettenreaktion erweisen.“ Krischer fordert daher technische Nachrüstungen der Autos auf Kosten der Hersteller.
Krischer hat eigene Stickoxid-Messungen vorgenommen – unter anderem in Bochum, Bottrop und Duisburg. In Bochum war die Abgasbelastung demnach klar über dem Grenzwert, in Duisburg und Bottrop knapp über oder unter dem Grenzwert. Gemessen hat der Abgeordnete an Standorten, die nicht auf der Liste der Behörden stehen.
Im Interview mit unserer Redaktion spricht Krischer über seine eigenen Stickoxid-Messungen:
Herr Krischer, warum haben Sie Messungen an alternativen Standorten vorgenommen? Vertrauen Sie den Behörden nicht?
Krischer: Ganz im Gegenteil: Die Messungen der Behörden haben das Problem mit den Stickoxiden ja erst ans Licht gebracht. Aber es wird oft nur an einer Stelle oder in kleineren Städten gar nicht gemessen. So entsteht oft der Eindruck, das Problem gibt es nur an einer Straße. Wir wollten wissen: Gibt es die schlechte Luft auch an anderen Orten in den Städten mit viel Verkehr? Das ist auch relevant für die drohenden Fahrverbote. Wenn eine bestimmte Strecke für ältere Diesel-Pkw gesperrt wird, weichen natürlich die Fahrzeuge auf alternative Strecken aus. Die sind aber auch vielfach hoch belastet und hier droht dann wiederum wieder ein Fahrverbot. Das ganze könnte sich dann als Kettenreaktion erweisen, wenn nicht endlich technische Nachrüstungen kommen.
Wie sind Sie vorgegangen?
Krischer: Wir haben mit sogenannten Passivsammlern gemessen, die auch vom Landesamt für Umweltschutz in NRW genutzt und empfohlen werden. Das Messgerät ist nicht sehr groß und wird zwei bis drei Wochen einfach an Laternen gehängt. Die Teströhrchen werden dann zur Analyse an ein Fachlabor geschickt. So erhalten wir einen Durchschnittwert der Stickoxidbelastung von dem betreffenden Ort für den Zeitraum, an dem der Sammler gehangen hat.
Was waren die Ergebnisse?
Krischer: Insgesamt lag ein Drittel unserer Messungen über dem Grenzwert und sehr viele knapp darunter. Wir hatten einige Messergebnisse dabei, die waren so hoch wie in Stuttgart an den schmutzigsten Orten – fast das Doppelte über dem Grenzwert etwa in Leverkusen. Im Ruhrgebiet war unsere Messbilanz gemischt: in Bochum und Lünen klar über dem Grenzwert, in Duisburg und Bottrop entweder knapp über oder unter dem Grenzwert. Hier haben wir aber bei höheren Temperaturen gemessen. Im Winter dürften die Werte deutlich höher sein, weil die meisten Abgasreinigungssysteme bei Temperaturen um 0 Grad kaum noch funktionieren.
Welche Schlussfolgerungen ziehen Sie?
Krischer: Es zeigt sich: Die hohen Stickoxidbelastungen sind in unseren Städten nicht nur da zu finden, wo die Behörden messen, sondern leider ein viel weiter verbreitetes Problem. Das heißt für mich: Wir müssen die Ursache an der Wurzel bekämpfen und die Millionen Dieselautos, die das Problem größtenteils verursachen, technisch so nach nachrüsten, dass sie die Grenzwerte einhalten.
Wer soll das bezahlen?
Krischer: Dafür müssen die Hersteller aufkommen, denn die haben getrickst und betrogen und den Autokäufern saubere Autos versprochen, aber in Wahrheit Dreckschleudern verkauft. Nur so können wir die vom Bundesverwaltungsgericht ausdrücklich geforderten Fahrverbote an den meisten Orten vielleicht noch vermeiden. Die Bundesregierung muss Schluss machen mit ihrer Kumpanei mit der Autoindustrie und endlich die zu Verantwortung ziehen, die das Problem verursacht haben. Es kann nicht sein, dass das Problem bei Kommunen und Millionen betrogener Dieselfahrer abgeladen wird.