Düsseldorf. Die Idee eines „solidarischen Grundeinkommens“ bekommt immer mehr Zuspruch in den Reihen der Landespartei. Dem Projekt fehlt noch das Fundament.

Wirklich beliebt waren die Hartz-Reformen in der SPD nie. Große Teile der Partei fügten sich eher zähneknirschend der Schröder‘schen Agenda-Politik, andere traten aus oder liefen zur Linken über. Nun aber deutet sich eine Wende an, auch in der NRW-SPD. Die Idee von einem „solidarischen Grundeinkommen“ gewinnt immer mehr Anhänger in der Landespartei, auch der scheidende Vorsitzende Michael Groschek findet Gefallen daran, Hartz IV zu „überwinden“.

Ideengeber und Antreiber sind Berlins SPD-Regierungschef Michael Müller und der Parteilinke Ralf Stegner aus Schleswig-Holstein. Das „solidarische Grundeinkommen“ ist im Moment kaum mehr als ein Schlagwort, für ein Projekt fehlt noch das Fundament. Aber im Grunde ist damit gemeint, dass alle, die arbeiten können und wollen – auch Geringqualifizierte – arbeiten dürfen. Und zwar mit Bezügen deutlich oberhalb der Hartz IV-Sätze. Müller sprach von steuerfinanzierten Vollzeitjobs auf Mindestlohn-Niveau mit einem Nettoverdienst von 1200 Euro im Monat.

NRW-SPD-Chef Groschek zögert noch

NRW-SPD-Chef Michael Groschek, zögert noch ein wenig, auf diesen Zug aufzuspringen. Er will erst den sozialen Arbeitsmarkt etabliert sehen, den die GroKo schaffen möchte. Aber danach könnte Hartz IV durch „öffentliche Beschäftigungsangebote mit einem auskömmlichen Grundeinkommen überwunden werden“. Arbeit müsse sich lohnen und belohnt werden, sagte Groschek. Der gesetzliche Mindestlohn müsse in diesem Zusammenhang auf mindestens 12 Euro angehoben werden.

„Eine Hartz-Reform hätte meine Partei schon viel früher machen sollen“, sagte der Sprecher der SPD-Bundestagsabgeordneten aus dem Ruhrgebiet, Michael Groß aus Recklinghausen. Das Thema brodele schon lange in der Partei. „Viele Mitglieder, besonders im Ruhrgebiet, würden die Einführung eines solidarischen Grundeinkommens begrüßen.“ Wer so arbeitet, müsse den Mindestlohn bekommen, auf jeden Fall so viel, um davon normal leben zu können.

Bürger müssen freiwillig Angebot nutzen können

Dass die Diskussion gerade jetzt in der SPD so hochkocht, hat auch etwas mit den Kommentaren von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) über Hartz IV zu tun. Diese Absicherung bedeute nicht Armut, sondern sei die Antwort der Solidargemeinschaft auf Armut, hatte Spahn unter anderem gesagt. Für Politiker wie Michael Groß oder für den SPD-Landtagsabgeordneten Josef Neumann sind solche Sätze „unerträglich“. Auch Neumann kann sich mit dem „solidarischen Grundeinkommen“ anfreunden. Freiwillig müssten Bürger dieses Angebot nutzen können, der Lohn müsse auskömmlich und die Jobs müssten unbefristet sein, sagt der Sozialexperte der SPD-Fraktion im Landtag.

Mit jener Grundeinkommens-Idee, die schon lange diskutiert wird, mit dem so genannten „bedingungslosen Grundeinkommen“, habe der Vorstoß der SPD aber nichts zu tun, betonen alle. Bedingungslos soll niemand, der arbeiten kann, Geld erhalten. „Ein solches Grundeinkommen nach dem Motto ,Kommst Du heute nicht, kommst Du morgen’ ist mit dem Verständnis einer Partei der Arbeit nicht zu vereinbaren“, sagte Michael Groschek.

Kritiker fürchten Entwertung der Arbeit

Der Vorstoß aus der SPD für ein solidarisches Grundeinkommen stößt bei Arbeitgeberverbänden und in der Union auf Abwehr. In Zeiten von Rekordbeschäftigung und Wirtschaftswachstum sei die Idee ein „Irrweg“, kritisierte Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer am Dienstag in Berlin. Arbeitslose Menschen würden auf künstliche Beschäftigung verwiesen, die eigentlich nur in schwierigsten Einzelfällen vertretbar sei.

Die Unternehmen suchten seit Jahren händeringend nach Arbeitskräften, sagte Kramer. Diese Chance müsse genutzt werden, gerade Langzeitarbeitslose für den ersten Arbeitsmarkt fitzumachen. Der Sprecher für Arbeitsmarkt und Soziales der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Peter Weiß (CDU), kann einem Grundeinkommen als Alternative zu Hartz IV ebenfalls nichts abgewinnen.

„Ein solidarisches Grundeinkommen käme der völligen Entwertung von Arbeit gleich“, sagte er der „Passauer Neuen Presse“. „Wenn alle das Gleiche erhielten, ob sie nun arbeiten oder nicht, wäre das das Ende des Sozialstaates.“ Ziel müsse es viel mehr sein, Menschen so schnell wie möglich aus Hartz IV herauszubekommen, ihnen Jobs zu beschaffen, so Weiß. Die Debatte über ein solidarisches Grundeinkommen lenke von diesem Ziel ab, weil es den Betroffenen den Anreiz nehme, sich um Arbeit zu bemühen. (epd)