Berlin. Die Debatte um die Regierungserklärung Angela Merkels stand über weite Strecken im Zeichen des Islam-Streits. Die CSU blieb hart.
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stellt Kanzlerin Angela Merkel am Mittwoch seit 13 Uhr im Bundestag die wesentlichen Weichenstellungen für ihre vierte Amtszeit vor.
Zur Debatte um Muslime und den Islam in Deutschland sagte Merkel: Zwar sei Deutschland „christlich und jüdisch geprägt“. Es sei aber klar, dass durch die 4,5 Millionen hier lebenden Muslime
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. Die große Mehrheit dieser Muslime lehne Radikalismus und Terror ab. „Viele von ihnen leben ihren Glauben, den Islam, friedlich, verfassungs- und gesetzestreu“, sagte Merkel.
Damit reagierte die Bundeskanzlerin auf Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU), der gesagt hatte, der Islam gehöre nicht zu Deutschland, wohl aber die hier lebenden Muslime.
Gauland (AfD): „Sie haben wieder von Deutschen gesprochen“
AfD-Fraktionschef Alexander Gauland eröffnetedie Generalaussprache über die Regierungserklärung. Er habe sich ein bisschen mehr Pathos oder Tiefgang gewünscht, sagte Gauland an die Adresse der Kanzlerin. „Aber Sie haben das erste Mal wieder von Deutschen gesprochen. Das ist der Erfolg der AfD.“
Ansonsten kritisierte Gauland die Kanzlerin scharf: „Die Masseneinanderung“ in Deutschland gehe weiter, eine Obergrenze für Flüchtlinge gebe es nicht. Merkel habe sich mit ihrer Flüchtlingspolitik „ in Europa isoliert“, so Gauland. „Es gibt keine Pflicht zur Vielfalt und Buntheit.“
Dobrindt: „Der Islam gehört nicht zu Deutschland“
CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt blieb im Islam-Streit hart: „Die Muslime, die sich integrieren wollen, sind Teil Deutschlands“, so Dobrindt. Aber die Mehrheit der Menschen wolle, „dass Deutschland ein christlich-jüdisch geprägte Land mit seinen Werten bleibt“. Deshalb bleibe er dabei: „Der Islam gehört nicht zu Deutschland.“
FDP-Chef Christian Lindner kritisierte in der Islam-Debatte vor allem die CSU. Die CSU müsse „sich endlich ihren Dämonen stellen“, forderte Lindner. Sie dürfe „die Religionen nicht gegeneinander ausspielen“. Im Übrigen frage er sich: „Was soll aus dieser Debatte folgen, egal welche Antwort man gibt?“
Lindner kritisierte zugleich, dass Union und SPD ein Heimatministerium eingerichtet hätten, wo ein Digitalministerium nötig gewesen wäre. Zugleich bekräftigte er die Forderung der Liberalen nach einem weltoffenen Einwanderungsrecht.
Zuvor hatte Merkel in Bezug auf die Flüchtlings- und Integrationsdebatte in Deutschland erklärt: „Unser Land ist gespalten und polarisiert.“ Der Ton sei rauer geworden. Dies zeige auch die hitzige Debatte um ihren Satz „Wir schaffen das“ auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise im September 2015. Dies sei „eigentlich ein banaler Satz gewesen“, so Merkel, den sie unzählige Male gesagt habe.
Merkel: „Deutschland, das sind wir alle“
Trotzdem sei dieser Satz „zu einer Art Kristallisationspunkt in der Auseinandersetzung“ geworden, so die Kanzlerin. Merkel verteidigte die Öffnung der Grenzen: „Wir haben die Menschen in Not aufgenommen.“ Es habe sich um eine „humanitäre Ausnahmesituation“ gehandelt.
Merkel formulierte erneut einen Appell für mehr Zutrauen an die Bevölkerung. „Ich bin überzeugt: Deutschland kann es schaffen“, sagte sie und zitierte damit aus ihrer ersten Regierungserklärung aus dem Jahr 2005. Heute füge sie hinzu: „Deutschland, das sind wir alle“, sagte Merkel.
Facebook-Skandal: Merkel für besseren Datenschutz
Merkel mahnte auch mit Blick auf die Vorgänge bei Facebook einen besseren Datenschutz an. Das, was beim weltweit größten sozialen Netzwerk passiert sei, sei nur ein Ausschnitt. Daher könne die EU-Datenschutzverordnung nur ein erster kleiner Schritt sein.
Scharf kritisierte Merkel Russland und die Türkei mit Blick auf Syrien. Die Bundesregierung verurteile die Angriffe im syrischen Ost-Ghuta „auf das Schärfste“, sagte sie und nannte „das Regime von Assad, aber auch Russland, das dem zusieht“. Auch was im syrischen Afrin passiere, sei trotz der Sicherheitsinteressen der Türkei inakzeptabel: „Auch das verurteilen wir auf das Schärfste.“
Merkel sagt mit Blick auf die USA, Schutzzölle seien schädlich. Die Bundesregierung lehne ein solches Vorgehen ab. Sie werde sich zwar für Gespräche mit der US-Regierung einsetzen, notfalls aber „notfalls unmissverständlich Gegenmaßnahmen ergreifen“.
Merkel: „Kinderarmut ist eine Schande“
Zur Sozialpolitik sagte die Kanzlerin: „Wenn wir Familien stärken, stärken wir den Einzelnen und gleichzeitig die Gemeinschaft. Sie betonte: „Kinderarmut in einem reichen Land wie Deutschland ist eine Schande, und wir müssen sie mit aller Kraft bekämpfen.“
Merkel betont mit Blick auf die Diesel-Affäre: „Flächendeckende Fahrverbote lehnen wir ab.“ Saubere Luft und Mobilität müssten in Einklang gebracht werden, ohne dass Diesel-Fahrer die Dummen seien. Verbrennungsmotoren würden relativ lange als Brückentechnologie gebraucht, die Bundesregierung setze aber auf alternative Antriebe.
Andrea Nahles (SPD): Sorgen der Menschen annehmen
FDP-Fraktionschef Christian Lindner lobte die Bereitschaft der Koalition zur Reform des Bildungsföderalismus. „Das war am Veto des Grünen Winfried Kretschmann in einer traumatisierenden Phase meines Lebens im vergangenen Jahr gescheitert“, sagte Lindner in Anspielung auf die im November 2017 geplatzten Sondierungsgespräche von Union, FDP und Grünen. Der Koalition sagt er die Unterstützung für die geplante Grundgesetzänderung zur Abschaffung des Kooperationsverbotes von Bund und Kommunen in der Bildungsfinanzierung zu.
Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch warf der Koalition vor, den Regierungsapparat personell aufgebläht zu haben. Es gebe 100 neue Stellen im Innenministerium, 40 mehr im Kanzleramt und 40 mehr im Finanzministerium: „Diese Selbstbedienungsmentalität steht in keiner Relation zu ihren Wahlergebnissen.“
SPD-Fraktionschefin Andrea Nahles nahmt in ihrer Rede für die Koalition in Anspruch, dass sie sich der Alltagssorgen der Menschen annehme. Das gelte etwa für die Vorhaben, extreme Mieterhöhungen nach Modernisierungen zu stoppen und junge Familien mit dem Baukindergeld beim Erwerb von Wohneigentum zu unterstützen. Der Bundestag werde „hoffentlich sehr schnell“ über entsprechende Gesetzesinitiativen beraten. (W.B./dpa)
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