Berlin. Es sind seine letzten Tage als Staatssekretär im Finanzministerium. Nächste Woche zieht Jens Spahn, der dem CDU-Präsidium angehört, ein paar Straßen weiter. Der 37-Jährige aus dem Münsterland wird Bundesgesundheitsminister.
Es sind seine letzten Tage als Staatssekretär im Finanzministerium. Nächste Woche zieht Jens Spahn, der dem CDU-Präsidium angehört, ein paar Straßen weiter. Der 37-Jährige aus dem Münsterland wird Bundesgesundheitsminister.
Herr Spahn, Kanzlerin Angela Merkel hat Sie aufgefordert, für Deutschland „etwas Gutes zu bewegen“. Wie wollen Sie dieser Erwartung gerecht werden?
Jens Spahn: Genau dafür sind wir als Union doch angetreten. Und die Neuaufstellung der CDU macht deutlich: Wir wollen über 2021 hinaus Verantwortung für dieses Land übernehmen. Wir werden Deutschland gut regieren und mit Blick auf das Wahlergebnis klarmachen: Wir haben verstanden. Was das konkret für meine Arbeit als Gesundheitsminister bedeutet, diskutieren wir nach meinem Amtsantritt.
Verstehen Sie sich als Garant dafür, dass es in der großen Koalition kein Weiter-so gibt?
Das Ergebnis der Bundestagswahl war bitter. CDU, CSU und SPD haben Millionen Wählerstimmen verloren. Der Kernauftrag der nächsten großen Koalition lautet, Vertrauen in die Handlungsfähigkeit des Staates zurückzugewinnen.
Warum ist das Vertrauen verloren gegangen?
Durch die Flüchtlings- und Migrationsbewegungen der letzten zweieinhalb Jahre wurden Probleme offenkundig, die vorher schon da waren – kriminelle Clans etwa, die halbe Stadtteile kontrollieren. Es ist der Eindruck entstanden: Beim Ticket fürs Falschparken funktioniert deutsche Verwaltung, während die Sicherheitsbehörden an manchen Parks oder Plätzen das Recht nicht mehr durchsetzen. Es liegt an uns, das zu korrigieren. Wir werden auch umsetzen, was wir in der Koalition zur Begrenzung der Zuwanderung vereinbart haben. Die dauerhafte Einschränkung des Familiennachzugs war dabei ein wichtiger Anfang. Und: Wir müssen erklären, warum wir was tun. Horst Seehofer als Innen- und Heimatminister hat gute Chancen, hier Vertrauen zurückzugewinnen.
Haben Sie den Eindruck, Merkel gesteht sich inzwischen Fehler in der Flüchtlingskrise ein?
Wir regieren Deutschland seit zwölf Jahren, noch nie ging es uns wirtschaftlich besser als heute. Das ist eine gute Bilanz. Gleichzeitig hat die massive Migration nach Deutschland und Europa eine Ausnahmesituation geschaffen, deren Folgen uns noch länger beschäftigen werden. Noch nie in der Geschichte sind in so kurzer Zeit so viele Menschen aus einem Kulturraum in einen anderen mit einem so großen Wohlstandsgefälle gewandert. Dabei haben wir alle die Wirkung des Digitalen unterschätzt. Über WhatsApp-Gruppen informiert, haben sich nicht nur Menschen aus Syrien, sondern auch aus Bangladesch oder Indien auf den Weg gemacht. Niemand hat behauptet, alles wäre perfekt gelaufen. Wichtig ist doch, dass wir nach vorne schauen und die Probleme lösen. Manche Debatten zeigen allerdings, dass wir immer noch einiges lernen können – etwa bei der Essener Tafel ...
… die sich entschieden hat, vorerst nur noch Menschen mit deutschem Pass aufzunehmen.
Ich tue mich schwer, von Berlin aus besser zu wissen, was in der konkreten Situation vor Ort die richtige Entscheidung ist. Für die Essener Tafel engagieren sich Bürger, die Mitmenschen helfen wollen – und die dann feststellen: Junge Männer treten derart dreist und robust auf, dass Ältere oder Alleinerziehende keine Chance mehr haben, auch etwas von den Lebensmitteln abzubekommen. Dass dann Maßnahmen ergriffen werden, finde ich richtig.
Sie ärgern sich über Merkels Kritik.
Ich weiß, Sie suchen nach Schlagzeilen. Dafür eignet sich das Thema aber nicht. Insbesondere ärgert mich bei Äußerungen mancher Sozialdemokraten, dass die Maßstäbe des Sozialsystems verrutschen: Die Tafeln tragen Sorge, dass Lebensmittel nicht weggeworfen werden. Damit erfüllen sie eine wichtige Aufgabe und helfen Menschen, die auf jeden Euro achten müssen. Aber niemand müsste in Deutschland hungern, wenn es die Tafeln nicht gäbe. Wir haben eines der besten Sozialsysteme der Welt.
Reicht Hartz IV zum Leben?
Die gesetzliche Grundsicherung ist mit großem Aufwand genau bemessen und wird regelmäßig angepasst. Hartz IV bedeutet nicht Armut, sondern ist die Antwort unserer Solidargemeinschaft auf Armut. Diese Grundsicherung ist aktive Armutsbekämpfung! Damit hat jeder das, was er zum Leben braucht. Mehr wäre immer besser, aber wir dürfen nicht vergessen, dass andere über ihre Steuern diese Leistungen bezahlen.