Düsseldorf. . Die ehemalige NRW-Wissenschaftsministerin Svenja Schulze nahm den Schleichweg zur Macht und wird nun Bundesumweltministerin in Berlin.
Als Ministerpräsident Armin Laschet am Freitag in der Landespressekonferenz gefragt wird, ob er die Reaktorsicherheit bei der künftigen Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) in guten Händen wähne, entgleitet ihm kurz die regierungsamtliche Ernsthaftigkeit. Laschet lacht hell auf, setzt zu einer Antwort an, lacht wieder, schnauft durch und sagt schließlich: „Sie wird auch das gut machen.“
Die heute 49-jährige SPD-Politikerin war 2011 gerade überraschend als Wissenschaftsministerin der rot-grünen Minderheitsregierung ins Amt gekommen, als eine „Atomkugel-Affäre“ ihr Image nachhaltig prägte. Die alte Geschichte wird Schulze selbst jetzt nicht los, bei ihrem großen Karrieresprung nach Berlin.
Die Posse mit den Atomkugeln
Schulze hatte damals auf parlamentarische Anfrage der Grünen behauptet, über den Verbleib von 2285 Brennelementekugeln aus einem ehemaligen Jülicher Forschungsreaktor könne „mit der gebotenen Zuverlässigkeit“ keine Aussage getroffen werden. Mehr noch: „Allem Anschein nach“ sei hochradioaktiver Müll sogar illegal im niedersächsischen Forschungsbergwerk Asse eingelagert worden. Später stellte sich heraus, dass keine einzige Kugel in Jülich fehlte. Schulze stand anschließend in dem Verdacht, kurz nach der Katastrophe von Fukushima leichtfertig Atom-Panik zu schüren.
Ex-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft hielt dennoch eisern an der studierten Germanistin und Politikwissenschaftlerin aus Münster fest. Schulze setzte Regierungsvorhaben wie die Abschaffung der Studiengebühren oder die Einschränkung der Hochschulfreiheit in NRW gegen erbitterte Widerstände durch. Sieben Jahre lang. Mochten standesbewusste Professoren die ehemalige Asta-Vorsitzende der Universität Bochum noch so sehr belächeln oder rüde Oppositionspolterer im Landtag ihr gar die Anrede „Frau Ministerin“ verweigern – Schulze wirkte unbeeindruckt.
Sie gilt nicht als Umweltexpertin
„Sie ist verdammt zäh“, bescheinigen ihr wohl auch deshalb Parteifreunde. Kurz vor der Abwahl der Regierung Kraft im Frühjahr 2017 gehörte Schulze sogar zu den wenigen rot-grünen Spitzenkräften, die sich nicht in der Wagenburg verschanzten. Mit freundlicher Professionalität ging sie auf Kritiker zu. Kommt man ihr krumm, neigt sie bloß den Kopf verständnisvoll zur Seite und knipst ein strahlendes Lächeln an. Freund-Feind-Denken ist Schulze fremd. Sie hat sich einmal als „Genießerin“ bezeichnet, der man so schnell nicht die Laune verderben könne. Das sei so in ihr „drinne“, wie sie gern sagt.
Dass ausgerechnet Schulze nach dem Ende von Rot-Grün in NRW die große bundespolitische Laufbahn einschlagen würde, hätte in Düsseldorf kaum jemand für möglich gehalten. Selbst die einstige Förderin Kraft soll Bedenken angemeldet haben, wie in Berlin erzählt wird. Schulze war zwar in jungen Jahren mal umweltpolitische Sprecherin der SPD im Landtag, gilt jedoch bislang nicht als Expertin. Nur ihr Ehemann Andrea Arcais ist als Geschäftsführer der öffentlich geförderten Umwelt-Lobby „Klimadiskurs NRW“ vom Fach.
Gut vernetzt in der Partei
Nicht zu unterschätzen sind indes ihre Netzwerker-Qualitäten. So staunten viele, als im vergangenen Sommer der neue SPD-Landeschef Michael Groschek ausgerechnet Schulze als seine Generalsekretärin präsentierte. Für Visionen oder „Abteilung Attacke“ war sie bis dahin nicht bekannt. Der Landesparteitag wählte sie mit nur mäßigen 69 Prozent ins neue Amt. Als Groschek mit seinem Hang zu eigenwilligen Sprachbildern ankündigte, er werde mit Schulze die frustrierte Parteibasis „wie Callboy und Callgirl“ beglücken, empörten sich viele über die Geschmacklosigkeit. Schulze nahm es locker: „Ich finde die Formulierung zugespitzt und lustig.“
Aus ihrer Zeit als Juso-Landesvorsitzende vor 20 Jahren besteht ein enger Draht zur designierten Parteichefin Andrea Nahles. Mit ihrer Hilfe und Groscheks Fürsprache hat die Frau, die einmal „Ministerin für Unauffälligkeit“ genannt wurde, den Schleichweg zur Macht genommen.