Essen/Düsseldorf. Der krebserregende Stoff stellt vor allem die Hochschulen weiter vor Probleme. Es wird noch Jahre dauern, bis alle Gebäude von PCB befreit sind.
In NRW sind immer noch Hunderte öffentliche Gebäude – Schulen, Rathäuser, Polizeireviere, Universitäten – mit dem krebserregenden Stoff PCB belastet. Diese polychlorierten Biphenyle stecken vor allem in Dichtungsmassen, die bis Ende der 1970er Jahre verwendet wurden. Besonders an den Hochschulen ist PCB eine gefährliche Altlast. An den Unis in Bochum, Dortmund, Duisburg-Essen, Bonn und Düsseldorf wird es noch Jahre dauern, bis alle Gebäude von PCB befreit sind.
Wenn Erstsemester in der philosophischen Fakultät der Heine-Uni Düsseldorf auf die Warnhinweise stoßen, beschleicht viele von ihnen ein mulmiges Gefühl: „Richtiges Lüften: im Sommer mindestens zehn und im Winter fünf Minuten stündlich sowie in Seminarräumen alle 20 Minuten, das trägt zur Verminderung der Belastung der Raumluft mit PCB bei“, steht auf einem Plakat. Und wenn Uni-Mitarbeiter den Studenten sogar raten, ihr Blut in einem Labor untersuchen zu lassen, wird aus dem mulmigen Gefühl schnell echte Sorge. Zu Recht?
So gehen die Unis mit dem Thema PCB um
1989 wurde der giftige Weichmacher, der unter anderem in Dichtungsmassen, Lacken, Transformatoren und Kunststoffen verwendet wurde, in Deutschland verboten. PCB gehören zum so genannten „dreckigend Dutzend“ langlebiger Schadstoffe. In der Folge der „Stockholmer Konvention“ haben inzwischen fast alle Staaten erklärt, auf Herstellung und Gebrauch zu verzichten. Denn PCB gelten nicht nur als krebserregend, sie sollen auch das Nerven- und das Immunsystem, den Hormonhaushalt, Haut und Leber schädigen. Die Ruhr-Uni Bochum empfiehlt unter anderem Schwangeren und chronisch Kranken, sich an die PCB-Informationsstelle in der Hochschule zu wenden. Die Uni Düsseldorf setzt wie die Ruhr-Uni auf Transparenz und informiert auf der eigenen Internetseite (PCB-Transparenzseiten). Messwerttabellen zeigen die Fortschritte der Sanierungsarbeiten.
In Deutschland gilt die PCB-Richtlinie aus dem Jahr 1994. Darin wurde ein Vorsorgewert von 300 Nanogramm (ng) PCB pro Kubikmeter Luft festgesetzt. Gefährlich wird es angeblich erst ab 3000 ng/m³.Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) sieht dies allerdings anders. Sie empfiehlt einen 50-fach niedrigeren Grenzwert von 60 ng/m³. Experten rieten in einer Studie des Landesumweltamtes NRW aus dem Jahr 2002 sogar dazu, den Grenzwert bei unter 15 Nanogramm PCB pro Kilo Körpergewicht am Tag festzusetzen.
„Ziel war es, alle Beschäftigten und Studierenden bis Ende 2016 in Räumen mit einer PCB-Belastung unter 300 ng/m³ unterzubringen. Das gilt als langfristig tolerabel“, erklärt Carolin Grape, Sprecherin der Uni Düsseldorf. Das Ziel sei fast vollständig auch erreicht worden. Es gebe nur noch wenige Räume, in denen der Grenzwert heute noch leicht überschritten werde.
Kostenlose Bluttestes für Mitarbeiter und Studenten
Auch Studenten an der Ruhr-Uni Bochum sind den toxischen Weichmachern ausgesetzt: „PCB wurde als Baustoff in allen Fakultätsgebäuden verbaut“, sagt Pressereferent Jens Wylkop, „technisch belüftete Räume, wie Labore oder Hörsäle, weisen durch den ständigen Luftaustausch wesentlich geringere Belastungen auf.“ Daher konzentriere sich die PCB-Sanierung in Bochum eher auf Büros.
Sowohl die Ruhr-Uni als auch die Heine-Uni Düsseldorf bieten für Mitarbeiter und Studenten freiwillige kostenlose Bluttests an.
An der Uni Duisburg-Essen wird aktuell das Gebäude R11 am Campus Essen weiter kernsaniert. Uni-Sprecherin Beate Kostka nennt gleich eine ganze Reihe von Problemstoffen. Asbest stecke in Zementplatten, Rohren und Feuerschutztüren, PCB in Kondensatoren an Lampen und in Dichtungen „bis 2020 werden nach und nach weitere Gebäude behandelt“, sagt Kostka. Zur Entfernung asbesthaltiger Baustoffe würden besondere Sicherheitsmaßnahmen angewandt. Am Campus Duisburg wird das achtstöckige LE-Haus von 1973 abgerissen, das erst 2008 brandschutzsaniert wurde. Ein Ersatzneubau soll folgen.
In Dortmund sind zwei Geschossbauten auf dem Campus Süd und Teile des Chemietechnikgebäudes am Campus Nord PCB-belastet. In Bonn musste 2011 ein Uni-Hochhaus wegen PCB geräumt werden. „Die Fugen wurden abgeklebt, elektrische Luftwäscher in den Räumen in Betrieb genommen, es wird gelüftet und öfter gereinigt“, erklärt Sprecher Andreas Archut. Der Studienbetrieb musste verlegt werden, allerdings betreten Mitarbeiter noch stundenweise Räume, in denen Forschungsmessgeräte stehen.
Das NRW-Umweltministerium und das Landesumweltamt können noch nicht einmal schätzen, wie viele öffentliche Gebäude in NRW insgesamt betroffen sind. Viele Städte kommen ihrer Berichtspflicht offenbar nur unzureichend nach, kritisieren Experten wie Thomas Kraus, Umweltmediziner an der Uni-Klinik Aachen. Auf einer aktuellen Liste des NRW-Finanzministeriums werden rund 50 Gebäude genannt, deren PCB-Sanierung noch nicht abgeschlossen ist. Dabei handelt es sich aber um Immobilien des Landes, nicht der Kommunen. Hunderte Gebäude im Landesbesitz wurden in den vergangenen Jahren PCB-saniert.