Essen. . Şener Cebeci ist Ankaras neuer Chefdiplomat im Ruhrgebiet. Die Offensive in Afrin gelte ausschließlich „Terroristen“, sagt der Neu-Essener.
Deutschland und die Türkei – das ist die Geschichte einer langen Partnerschaft. Derzeit aber ist das Verhältnis beider Länder getrübt wie selten zuvor, auch wenn die Freilassung des Journalisten Deniz Yücel aus türkischer Haft am vergangenen Freitag für Entspannung sorgt. Şener Cebeci hätte sich sicher ruhigere Zeiten gewünscht für seinen Dienstantritt als türkischer Chefdiplomat im Ruhrgebiet. Doch der neue Generalkonsul der Türkei in Essen ist nicht einmal zwei Monate im Amt, da schickt ihn Ankara schon aufs glatte diplomatische Parkett.
Zum Aufgabenspektrum eines Generalkonsuls gehören in der Regel die Pflege von Wirtschaftskontakten, regionale Repräsentanz und eine Menge Papierkram. Cebecis erster offizieller Pressetermin jedoch stand im Zeichen schwerster weltpolitischer Differenzen. Im Generalkonsulat auf dem Gelände der früheren Essener Ruhrlandkaserne ging es überraschend nur um einen Punkt. Und der gleicht einem politischen Minenfeld: die umstrittene Militäraktion der türkischen Armee in der syrischen Grenzregion Afrin.
Die Türkei sieht sich im Recht
Durch den Angriff türkischer Truppen auf die Kurdenmiliz YPG ist in Syrien ein weiterer gefährlicher Brandherd entstanden. Die Türkei sieht sich im Recht, hält die YPG-Kämpfer allesamt für Terroristen. Doch der Vorstoß bringt Ankara in Erklärungsnot. Der Versuch Ankaras, auf regionaler Ebene außenpolitisch die Wogen zu glätten, zeigt jedenfalls, wie groß auf türkischer Seite die Sorge ist, die Deutungshoheit in der Causa Afrin zu verlieren.
Cebeci ist aus der Sicht Ankaras sicher der Richtige für die heikle Mission. Der studierte Politologe mit Master-Abschluss der University of Westminster in London hat zwar noch nie in Deutschland gearbeitet, verfügt aber über einen reichen diplomatischen Erfahrungsschatz. Nach Stationen in Tadschikistan, Moskau, London und Bulgarien war der zweifache Vater zuletzt im türkischen Außenministerium tätig.
„Die YPG beschießt von syrischem Boden aus türkische Siedlungen. Es gab Tote und Verletzte“, versichert Şener Cebeci. Der 41-Jährige weiß, dass die „Operation Olivenzweig“, wie die Militäraktion nach türkischer Lesart heißt, in Deutschland auf enorme Vorbehalte stößt. Cebeci wirbt in Essen um einen anderen Blickwinkel.
„Die Kurden sind unsere Brüder“
Bei der Operation Olivenzweig gehe es der Türkei ausschließlich um die Sicherheit und Stabilität in der Region, betont der aus der Großstadt Trabzon an der türkischen Schwarzmeerküste stammende Diplomat. „10 000 Terroristen“ – YPG-Truppen, aber auch übergelaufene Ex-IS-Kämpfer – trieben in der Provinz Afrin ihr Unwesen. Nur diese bekämpfe die Türkei, nicht die Kurden, sagt der Mann, der in den kommenden vier Jahren zuständig sein wird für die Belange von 230 000 türkischen Staatsbürgern im gesamten Regierungsbezirk Arnsberg und den beiden Revierstädten Essen und Mülheim. Denn, schiebt Cebeci nach, „die Kurden sind ja unsere Brüder“.