Washington. Was bringt der Schüler-Protest nach der Bluttat in Florida? Mittwoch spricht Präsident Donald Trump mit Teenagern, die überlebt haben.
Unvorhergesehene Stundenplan-Änderung. Am 14. März werden Tausende Schüler in Amerika um 10 Uhr gleichzeitig den Unterricht verlassen. 17 Minuten lang, eine Minute für jedes Opfer der
Auch interessant
in Parkland/Florida, wollen sie lehren und nicht lernen. Wollen
Auch interessant
. Auf dass der Kongress und Präsident Donald Trump endlich substanzielle Schritte gegen die grassierende Waffengewalt unternehmen.
Zehn Tage später soll die zweite Stufe gezündet werden. „Marsch für unsere Leben“ heißt es dann in Washington. Zehntausende werden den Unmut über den chronischen Stillstand bei Waffengesetzreformen vor das Weiße Haus tragen. Und den Einfluss der Waffenlobby NRA anprangern, die mit Millionen-Spenden auch an Trump den status quo zementieren will.
Unterstützung von George Clooney und Oprah Winfrey
Auch interessant
die Parkland überlebt haben, seit Tagen im Fernsehen ihr Anliegen vertreten, hat gewaltigen Eindruck hinterlassen. Hollywood-Star George Clooney und seine Frau Amal unterstützen den Protest in Washington mit mehreren hunderttausend Dollar, ebenso Oprah Winfrey und Film-Regisseur Steven Spielberg. Sie wollen am 24. März „Seite an Seite stehen“ mit der jungen Generation.
Ob deren Aufbegehren Früchte tragen wird, ist zumindest fraglich. Zu schnell versiegte in der Vergangenheit nach Massenmorden regelmäßig das Interesse. Doch gibt es einige Indizien, dass die Empörung diesmal größere Durchschlagskraft haben könnte.
Angefangen bei Donald Trump.
Der rigoros auf Fernseh-Ausstrahlung geeichte Präsident hat schnell registriert, wie blendend artikuliert und überzeugend der Protest von Wortführern wie Emma González oder Cameron Kasky ist. Und wie kompromisslos. „Schämt euch“, rufen die 17-Jährigen aus Parkland den gewählten Volksvertretern zu. „Unser Blut klebt am Boden unserer Klassenzimmer, weil ihr untätig bleibt.“
Anstatt wie sonst im politischen Guerilla-Alltag auf Twitter unbarmherzig zu kontern, hat der NRA-Freund Trump am Mittwochabend betroffene Schüler zum Gespräch nach Washington eingeladen. „Wir wollen zuhören“, sagt das Weiße Haus fast kleinlaut.
Zu Besuch kommt zum ersten Mal die Generation nach Columbine. Am 20. April jährt sich der Amoklauf von Dylan Klebold und Eric Harris mit 15 Toten an einer Highschool nahe Denver/Colorado zum 20. Mal. Weltweit nahmen sich seither etliche Nachahmungstäter das Massaker zum Vorbild. Auch 2002 der Deutsche Robert Steinhäuser (19). Er erschoss an einem Gymnasium in Erfurt 16 Menschen und danach sich selbst.
Die latente Angst nach Columbine
Wer zu Columbine-Zeiten geboren wurde, ist in den USA mit Schießereien an Schulen und Hochschulen von Virginia Tech (2007) bis Sandy Hook (2012) aufgewachsen. Die latente Angst, nach dem Unterricht nicht mehr lebend nach Hause zu kommen, schwingt in Umfragen bei vielen Heranwachsenden bis heute mit.
Verständlich. Rund 150.000 Schüler in Amerika haben seit Columbine die physisch und psychisch zerstörerische Kraft von Waffengewalt im Unterricht erfahren müssen. Dazu kommt: Die Protagonisten der Bewegung, die jetzt rebelliert und mobilisiert, sind im Alter der politischen Konfirmation.
Sie glauben wenig und zweifeln viel. Sie wollen nicht hinnehmen, dass sich Washington trotz unzähliger Massaker weiter im Hamsterrad bewegt. Defätismus und Zynismus, wie er Älteren oft eigen ist, geht ihnen dabei ab.
Mit der Macht der sozialen Netzwerke und stundenlangem Training im schul-eigenen Debattierklub im Rücken bringen sie ihr Anliegen präzise nach vorn: Schluss mit dem Nichtstun! Weg mit aberwitzig anmutenden Gesetzen, die jungen Menschen unter 21 den Kauf von Bier untersagen. Nicht aber den Erwerb von halbautomatischen Schnellfeuergewehren und Munitionskammern mit 100 Schuss.
An dieser Stelle springt ein einflussreicher alter Mann der Jugend zur Seite. Al Hoffman Jr. hat als Spender und Fundraiser Millionen-Beträge für die Republikaner eingetrieben. Jetzt sagt der 83-Jährige wütend: „Ich unterschreibe für niemanden mehr einen Scheck, der nicht einen Bann von Sturmgewehren fordert.“
Trump will weiter das grundlegendende Recht auf Waffenbesitz
Um den Sturm abzuwettern, hat Präsident Trump erklärt, er sei für
Auch interessant
zu haben. Solange sie nicht das grundlegendende Recht auf Waffenbesitz unterlaufen. Darum gestern sein Auftrag an das Justizministerium, die Weichen für ein vom Kongress zu beschließendes Verbot zu stellen – von sogenannten „bump stocks“. Ein Rand-Thema, aber ein blutiges.
Gemeint sind Schussbeschleuniger, die legal und für knapp 100 Dollar erhältlich, aus halbautomatischen Gewehren, wie sie Nikolas Cruz (19) in Parkland auf Mitschüler und Lehrer richtete, de facto vollautomatische Tötungsmaschinen machen.
Auch interessant
benutzte so einen Schnellfeuer-Kolbenaufsatz.
Neuerungen im zentralen FBI-Register
Außerdem bietet sich ein parteiübergreifend längst für gut befundener Gesetzentwurf an, der an einer winzigen Stellschraube im komplexen Waffen-Getriebe dreht: Ein zentrales FBI-Register soll von seinen Schlupflöchern befreit werden. Behörden, so die Theorie, müssen Informationen über Vorbestrafte oder psychisch Kranke an das „National Instant Criminal Background Check System“ (Nics) melden. So soll verhindert werden, dass legal eine Waffe erwerben kann, wer ein Risiko für sich und andere darstellt.
Bei einem funktionierenden System würde der Waffenhändler via Computer eine entsprechende Schellauskunft erhalten. Funktioniert aber nicht immer. Devin Kelly erschoss vor kurzem in Texas mit einer legal erworbenen Waffe 26 Menschen, obwohl er nach massivsten psychischen Problemen aus der Luftwaffe entlassen worden war. Sein Fall hat die Nics-Datenbank nie erreicht.
Das soll sich – mit einer Mischung aus Zuckerbrot und Peitsche – nicht wiederholen. Laut Gesetzentwurf von Demokraten und Republikanern im Senat können Bundesstaaten, die ihrer Meldepflicht nachkommen, mit finanzieller Belohnung rechnen. Wer schlampt, wird öffentlich vorgeführt.
Zu Zeiten von Bill Clinton waren Sturmgewehre verboten
Dass damit Fälle wie der in Parkland nicht zu verhindern sind, ist auf Seiten der Demokraten Konsens. Dort wird eine Wiederholung der Bill-Clinton-Jahre angestrebt. Von 1994 bis 2004 waren Sturmgewehre wie das überproportional bei Massenmorden (Sandy Hook, Orlando, Las Vegas, Parkland etc.) benutzte AR-15 zentral verboten.
Heute haben nur sieben Bundesstaaten entsprechende Gesetze. Die überwiegende Mehrheit tastet das umsatzstärkste und beliebteste US-Gewehr nicht an, das (bis auf die fehlende Automatik) dem Armee-Gewehr M 16 nachempfunden ist und etwa in Florida schon für 18-Jährige verfügbar ist. Begründung unter anderem: Die mit Abstand meisten Waffentoten in den USA sind auf Pistolen und Colts zurückzuführen. Zutreffend. Aussicht auf Verbot darum gleich null.
Die NRA, deren führender Kopf Wayne LaPierre („Gegen einen bösen Menschen mit einer Waffe hilft nur ein guter Mensch mit einer Waffe“) am Wochenende in Washington bei einem großen Konservativen-Kongress auftreten wird, will ohnehin in eine ganz andere Richtung: Bewaffnete Sicherheitsbeamte an allen Schulen. Und zielsichere Lehrer, die nicht nur Noten verteilen können, sondern wenn es darauf ankommt auch Kugeln. Kurzum: Schule als Hochsicherheitszone. Die Teenager von Parkland wollen das nicht. Was will Donald Trump?