Washington. Das nächste Blutbad, diesmal in Parkland. Amerika hält kurz inne – und wendet sich wieder ab. Was muss noch passieren? Ein Kommentar.
Amoklauf. Viele Tote und Verletzte. Sprachlosigkeit. Entsetzen. Dann Wut. Worthülsen von Politikern. Partei A will schärfere Waffengesetze. Partei B verweist entrüstet auf die Verfassung. 24 Stunden später wechseln die Schlagzeilen. Nichts geschieht. Nächster Amoklauf.
Das zynische Ritual, nach dem Amerika seine größten hausgemachten Tragödien abwickelt, bleibt auch
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, bei dem 17 Menschen ums Leben kamen, unangetastet.
Zu mächtig ist der Gewöhnungseffekt an das Unbegreifliche, als dass man gemeinschaftlich zur Vernunft kommen würde. Zu feige ist ein substanzieller Teil der politischen Klasse, der sich unter Verklärung eines 227 Jahre alten Rechtsversprechens in der Verfassung in die Geiselhaft der Waffen-Lobby „National Rifle Association“ begeben hat.
Täter von Parkland war eine tickende Zeitbombe
Der schwer gestörte 19-jährige Täter wäre auch ohne Zugriff auf kriegsähnliche Schnellfeuergewehre eine tickende Bombe geblieben. Ihn von der Schule zu werfen, die er jetzt ins Elend gestürzt hat, wirft fast 20 Jahre nach dem Massaker an der Columbine Highschool in Littleton ein fahles Licht auf Pädagogen und Aufsichtsbehörden. Aus den Augen aus dem Sinn – das kann sich rächen.
Dass die eindeutigen Unheilsbotschaften des Massenmörders in sozialen Netzwerken nahezu unbemerkt blieben spricht zudem dafür, dass der Gesetzgeber Facebook & Co. endlich rigoros in die Mitteilungspflicht nehmen muss. Wenn Irre Irres posten, wenn in Schrift und Bild mit Mord und Totschlag gedroht wird, müssen rote Lampen aufleuchten. Danach übernimmt das FBI.
Begünstigt haben den Todesschützen aber letzten Endes die laxen Waffengesetze in Florida. Keine Registrierung, keine tiefen Hintergrund-Checks. Legal kaufen, auch kiloweise Munition. Durchladen. Schießen. So funktioniert es (nicht nur) im Sonnenschein-Staat. Das alles fahrlässig zu nennen, wäre stark untertrieben.
Politiker vergießen Krokodilstränen
Gerade deshalb beleidigen die „Genug ist genug“-Krokodilstränen, die prominente Politiker beider Parteien jetzt zum x-ten Mal vergießen, die Intelligenz der Angehörigen. Amerika kann auf Trostspender und Gebete verzichten. Amerika benötigt Politiker, die Gesetze machen, damit Kinder ohne Furcht zur Schule gehen können. Ohne dass Eltern morgens bangen müssen, ob das liebevolle „Auf Wiedersehen!“ an der Haustür das letzte gewesen ist.
Einfach, das ist klar, wird das nicht. Waffen sind integraler Bestandteil der amerikanischen DNA. Aber die Schwierigkeit, Horror wie den in Parkland mit allen Mitteln zu verhindern, darf keine Entschuldigung zum fortgesetzten Nichtstun sein.
Wirksame Prävention – und dazu gehört womöglich auch eine bewaffnete, gut ausgebildete Security-Truppe auf jedem Schul-Campus – erfordert ein dickes Bündel von Maßnahmen. Das Ziel muss die Abnahme der horrenden Schusswaffen-Opferzahlen sein.
Obama resignierte angesichts der Waffen-Lobby
Dazu braucht es Führung. Als im Dezember 2012 in Newtown 20 Schulanfänger und sechs Lehrer erschossen wurden, trat Präsident Barack Obama unter Tränen vor die Fernseh-Nation. Trauer und Beistand seien nicht genug, sagte er – um später zu resignieren, weil vor allem die der Waffen-Lobby hörigen Republikaner zu keinen Konzessionen bereit waren.
Sein Nachfolger Donald Trump blieb in den ersten Stunden nach der Tragödie von Parkland bis auf eine pflichtschuldige Kondolenzbotschaft auf Twitter stumm.
Die Ignoranz und das fehlende Feingefühl dieses Präsidenten korresponiert mit der niederschmetterndsten Facette des Massenmords von Florida. Die Reaktionen der Davongekommenen, die fast durchweg kontrollierten, fast nüchternen Kommentare von Grünschnäbeln, die aus nächster Nähe unfassbares Leid mitansehen mussten, zeigt, was in Amerika kolossal schief läuft: Gewaltexzesse dieser Art sind Alltagsnormalität geworden.