Essen/Brüssel. . Die Umweltbelastung könnte zu einer Revolution im Nahverkehr führen: Die Bundesregierung prüft die kostenlose Nutzung von Bussen und Bahnen.

Gratis in Bussen und Bahnen fahren, das könnte in einigen deutschen Städten bald Wirklichkeit werden – etwa in Essen. Angesichts des drohenden EU-Verfahrens wegen zu hoher Luftverschmutzung treibt die Bundesregierung ihre Pläne für bessere Luft in den Städten voran. Wie aus einem Schreiben an die EU-Kommission hervorgeht, erwägt der Bund dabei auch, den öffentlichen Nahverkehr kostenlos anzubieten. Damit solle die Zahl der Pkw-Fahrten reduziert werden. Autos, vor allem solche mit Dieselmotoren, gelten als Hauptverursacher der hohen Stickoxid-Werte.

Dem Schreiben zufolge soll der Gratis-ÖPNV neben anderen Luftverbesserungsmaßnahmen zunächst in fünf „Modellstädten“ getestet werden: Essen, Bonn, Herrenberg, Reutlingen und Mannheim. Allerdings ist noch völlig unklar, wer den kostenlosen Nahverkehr finanzieren soll. Auch andere Details ließ die Bundesregierung am Dienstag auf Nachfrage offen. Damit ist bisher nicht klar, ob es sich bereits um belastbare Pläne oder eher ein Beruhigungsmanöver für Brüssel handelt.

Kommunen reagieren zurückhaltend

Entsprechend zurückhaltend reagierten Kommunen und Verkehrbetriebe. „Die Idee des kostenlosen ÖPNV ist sehr verlockend, muss aber gründlich auf Machbarkeit und Finanzierbarkeit überprüft und mit den Nachbarstädten abgestimmt werden“, sagte Essens Oberbürgermeister Thomas Kufen (CDU). Als Modellstadt sei Essen auch wegen seiner Erfolge in der Feinstaubreduzierung als „Grüne Hauptstadt Europas“ 2017 ausgewählt worden, betonte der Oberbürgermeister.

Der Verband deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) hält einen Nahverkehr zum Nulltarif dagegen für schwer umsetzbar. „Schon heute drängeln sich die Fahrgäste überall in Bussen und Bahnen. Ein kurzfristiger, sprunghafter Fahrgastanstieg würde die vorhandenen Systeme vollständig überlasten“, sagte VDV-Präsident Jürgen Fenske. Auch der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages, Helmut Dedy, forderte Klarheit über die Finanzierung.

Ob der Vorstoß der Bundesregierung die EU-Kommission von einer Klage abhält, ist offen. Mitte März will die Kommission entscheiden, ob sie Deutschland und andere Staaten verklagt. Berlin lehnt eine Prognose ab: Man werde sehen, wie es weitergehe, dies bestimme die EU-Kommission, so das Umweltministerium.