Essen. Auf 177 Seiten haben Union und SPD aufgeschrieben, wie sie Deutschland regieren wollen. Doch was steht drin? Wir fassen das Wichtigste zusammen.
Mehr Kindergeld, ein Teil-Abbau des Solidaritätszuschlags und Ausbau bei der Pflege: Union und SPD haben sich im 177-seitigen Koalitionsvertrag auf deutliche Entlastungen, bessere Sozialleistungen und eine Bildungsoffensive verständigt. Mindestens 46 Milliarden Euro zusätzlich will die Koalition verteilen. Familien mit mittleren Einkommen können mit 600 bis 2000 Euro mehr netto im Jahr rechnen, kalkuliert das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung. Das sind die wichtigsten Beschlüsse im Überblick:
Der Soli fällt für viele weg
Der Solidaritätszuschlag von 5,5 Prozent auf die Einkommensteuer wird für die meisten abgeschafft. Die Grenze ist bei Alleinstehenden ein Einkommen von 61 000 Euro im Jahr, nur noch zehn Prozent der Abgabepflichtigen müssten dann noch zahlen – die aber tragen den größten Batzen der Soli-Last. Der Fiskus verzichtet so auf zehn Milliarden Euro jährlich.
Krankenkassenbeiträge sinken
Arbeitnehmer werden bei den Beiträgen zur gesetzlichen Krankenversicherung etwas entlastet, Arbeitgeber müssen im Gegenzug etwas mehr bezahlen – beide teilen sich die Krankenversicherungskosten, der Zusatzbeitrag für Arbeitnehmer von rund ein Prozent wird abgeschafft. Der Streit über die Privatkassen ist ungelöst. Eine Kommission soll Vorschläge für eine gemeinsame Honorarordnung für die gesetzliche und die private Krankenversicherung machen, wie sie die SPD gefordert hatte. Was davon umgesetzt wird, ist offen.
Neues Arbeitsrecht
Die sachgrundlosen Befristungen werden eingeschränkt und endlose Kettenverträge abgeschafft – hier gibt es einen Kompromiss. Arbeitgeber mit mehr als 75 Mitarbeitern dürfen nur noch 2,5 Prozent der Belegschaft sachgrundlos befristen. Außerdem wird ein Recht auf befristete Teilzeit eingeführt, also ein Rückkehrrecht auf eine Vollzeitstelle, aber nur für Unternehmen mit über 45 Beschäftigten. Auf diesem Feld hat die SPD Punkte gemacht.
Mehr Geld für Bildung
Mit einem geplanten Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung an Grundschulen wird eine neue Großbaustelle eröffnet. Der Anspruch soll ab 2025 gelten. Dafür will der Bund zwei Milliarden Euro in Ganztagsschulen investieren. Je 3,5 Milliarden Euro sollen in die digitale Ausstattung der Schulen und in die Kitabetreuung fließen. Insgesamt ist ein zweistelliger Milliardenbetrag geplant. Die Einigung war nicht schwer, Geld ist da.
Weniger Flüchtlinge
Für die Zahl der Zuwanderer wird für die nächsten Jahre eine Größenordnung von 180 000 bis 200 000 jährlich genannt. Eine ausdrückliche „Obergrenze“ ist das zwar nicht, doch die Handschrift von CSU-Chef Horst Seehofer, dem künftigen Innenminister, ist erkennbar. Die Familienzusammenführung wird auf monatlich tausend Angehörige begrenzt. Ausnahmen soll es für Härtefälle geben. Verabredet ist auch ein Fachkräfteeinwanderungsgesetz.
Bessere Pflege
Für die bessere Betreuung in Pflegeheimen sind 8000 neue Fachkraftstellen vereinbart, dazu die flächendeckende Anwendung von Tarifverträgen. Geplant sind verbindliche Personalschlüssel für die Altenheime. Mehr Tages-Betreuungseinrichtungen sollen Angehörige entlasten. Die Mehrkosten für die Pflegeversicherung dürften aber mittelfristig zu höheren Beiträgen führen.
Mehr Mütterrente
Die Mütterrente wird aufgestockt: Frauen, die vor 1992 mindestens drei Kinder zur Welt gebracht haben, bekommen einen dritten Rentenpunkt, was pro Kind etwa 360 Euro pro Jahr mehr bedeutet. Die gesetzliche Rente soll bis 2025 auf dem heutigen Niveau von 48 Prozent des Durchschnittslohns gesichert werden – gleichzeitig soll der Beitragssatz nicht über 20 Prozent steigen. Geringverdiener mit mindestens 35 Beitragsjahren bekommen eine Grundrente, die zehn Prozent über der Soziallhilfe liegt. Für Selbstständige wird eine Altersversorgung vorgeschrieben.
Kindergeld wird erhöht
Das Kindergeld soll in zwei Stufen bis 2021 um 25 Euro pro Kind und Monat steigern. Der Kinderzuschlag für Einkommensschwache steigt. Ein „Baukindergeld“ soll Familien eine Eigenkapitalspritze geben, um sich den Traum vom Eigenheim zu erfüllen: Zehn Jahre lang zahlt der Staat je Kind 1200 Euro jährlich, wenn das Haushaltseinkommen 75 000 Euro nicht übersteigt.
Milliarden für Wohnungsbau
Zwei Milliarden sind für die Eigentumsförderung geplant, zwei Milliarden für sozialen Wohnungsbau. So sollen 1,5 Millionen Wohnungen entstehen. Außerdem soll die Mietpreisbremse nachgebessert werden.
Schnelles Internet bis 2025
Bis 2025 soll ein Recht auf einen Hochgeschwindigkeitszugang zum Internet gesetzlich verankert werden. Zum Netzausbau wollen Union und SPD zehn bis zu zwölf Milliarden Euro bereitstellen.
Sie wollen es genauer wissen? Hier haben wir den Koalitionsvertrag Punkt für Punkt analysiert: