Berlin. . Hans-Georg Maaßen sagt, „wir schauen genau hin“. Das tut sein Bundesamt für Verfassungsschutz, aber auch die Landesbehörden bei sogenannten Reichsbürgern und Selbstverwaltern verstärkt seit Ende 2016. Seither beobachten sie gemeinsam die Szene, seither steigen die Zahlen – gleich im Folgejahr um 65 Prozent von 10 000 auf nunmehr 16 500 Personen. Am Donnerstag haben die Verfassungsschützer ihre Daten für 2017 abgeglichen. Allein im letzten Quartal des vergangenen Jahres hat die Zahl der „Reichsbürger“ abermals um 1500 Mitglieder zugenommen.
Hans-Georg Maaßen sagt, „wir schauen genau hin“. Das tut sein Bundesamt für Verfassungsschutz, aber auch die Landesbehörden bei sogenannten Reichsbürgern und Selbstverwaltern verstärkt seit Ende 2016. Seither beobachten sie gemeinsam die Szene, seither steigen die Zahlen – gleich im Folgejahr um 65 Prozent von 10 000 auf nunmehr 16 500 Personen. Am Donnerstag haben die Verfassungsschützer ihre Daten für 2017 abgeglichen. Allein im letzten Quartal des vergangenen Jahres hat die Zahl der „Reichsbürger“ abermals um 1500 Mitglieder zugenommen.
900 Rechtsextremisten in der Szene
Maaßen, Präsident des Kölner Bundesamgts, führt den drastischen Anstieg im Gespräch mit unserer Zeitung nicht zuletzt auf die „verstärkte Aufklärung“ zurück: Die Behörden erhöhen den Druck, spüren mehr „Reichsbürger“ auf, die Medien werden auf sie aufmerksam; dies animiert weitere Nachahmer.
Es geht allerdings nicht um einen Medienhype. Das Aufsehen ist berechtigt. Denn die „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“ erkennen die Bundesrepublik nicht an, sprechen den Behörden und Gerichten jede Legitimität ab, akzeptieren keine amtlichen Bescheide, führen teilweise eigene Ausweise und Pässe mit sich oder bringen an ihren Autos eigene Kennzeichen an.
Laut Thüringer Verfassungsschutz handelt es sich überwiegend um psychische gestörte Personen, beziehungsweise um Bürger mit finanziellen Problemen, „denen es einfach darum geht, keine Gebühren und Steuern zahlen zu müssen“. Deswegen sind es auch zumeist staatliche Vertreter, die ihre Wut zu spüren bekommen und buchstäblich zur Zielscheibe werden: Finanzbeamte, Gerichtsvollzieher, Polizisten oder beispielsweise die Mitarbeiter in Bürgerbüros.
Es wäre grundfalsch, die „Reichsbürger“ bloß als Spinner oder widerspenstige Querulanten abzutun. Im Oktober 2016 schoss ein „Reichsbürger“ nahe Nürnberg auf Polizisten, damals starb ein Beamter. Schon einen Monat später folgte die nächste Attacke auf die Staatsvertreter, diesmal in Niedersachsen. Erst in dieser Woche leistete in der Nacht zu Mittwoch ein „Reichsbürger“ in Erfurt massiv Widerstand, als die Polizei anrückte, um einen Haftbefehl gegen den Mann zu vollstrecken. Kein Einzelfall. In einer internen Analyse rechnet das Bundeskrimimalamt den „Reichsbürgern“ rund 13 000 Straftaten zu, davon 750 Gewaltdelikte. Das „besondere Augenmerk“ (Maaßen) des Verfassungsschutzes liegt auf einem ganz bestimmten Typus: auf „Reichsbürger“, die Rechtsextremisten sind – bundesweit: 900 – und/oder Waffen besitzen, sogar legal. Schon 2017 sind die Bundesländer dazu übergegangen, „Reichsbürgern“ keine Waffenscheine mehr auszustellen und erteilte Genehmigungen zu widerrufen.
Wie sich die Szene entwickeln wird, ist selbst für Fachleute offen. Für die kommenden Monate ist wohl ein weiterer Anstieg des Personenpotenzials zu erwarten. Möglich sei, dass sich die Szene auf dem hohen Niveau etabliere. Die Zahlen könnten sich indes aber auch „durchaus weiter erhöhen“, wie Maaßen warnt. Die Behörden greifen hart durch. In Bayern, ohnehin ein „Hotspot“ der Szene, hat die Polizei 2017 mehrfach Wohnungen von „Reichsbürgern“ durchsucht.
Das NRW-Innenministerium sieht sie als „Sammelbecken für Verschwörungstheoretiker, Rechtsextremisten, Holocaustleugner und Querulanten“. Und Waffennarren. Ein regelrechtes Arsenal stellten Fahnder Ende 2016 bei einem Rentnerpaar (73 und 74) in Witten sicher, Gewehre, Kurzwaffen, Gasrevolver. Im größten Bundesland geht man von 2200 „Reichsbürgern“ aus, teils sektenartig zusammengeschlossen.
Ihre Organisationen tragen Namen wie „Indigenes Volk Germaniten“, „Freistaat Preußen“ und „Keltisch-druidische Glaubensgemeinschaft“ oder „Fürstentum Germania“. Im Internet und in sozialen Netzwerken sind sie aktiv, stellen Schulungsvideos, Musterformulare und Handlungsempfehlungen ein.
Sie wollen sich von der Republik lossagen
Nach ihrem Verständnis ist das Deutsche Reich nicht untergegangen, sondern befindet sich weiter im Kriegszustand. Weshalb es sich bei Gebührenbescheiden nur um „Plünderungen“ handeln könne. Im Unterschied zu den „Reichsbürgern“ glauben die „Selbstverwalter“ nicht zwingend daran, dass das Deutsche Reich fortbesteht. Wohl aber wollen sie sich von der Bundesrepublik lossagen und förmlich austreten. Dem Verfassungsschutz werden sie sich nicht entziehen können. Maaßen und seine Beamten schauen genau hin – und „werden dies auch in Zukunft tun“, wie er verspricht.