Berlin/Essen. Bundesweit hat die Szene schon 16 500 Anhänger. Viele von ihnen verfügen über Waffen und gelten als rechtsextrem.
Die Szene der so genannten Reichsbürger wächst viel schneller, als bislang vermutet wurde. Innerhalb nur eines Jahres stieg die Zahl ihrer Anhänger 2017 bundesweit von 10 000 auf 16 500. Und diese Zahlen könnten sich „durchaus weiter erhöhen“, warnte der Präsident des Kölner Bundesamtes für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen, am Donnerstag im Gespräch mit der WAZ.
„Wir schauen genau hin und werden dies auch in Zukunft tun“, versprach Maaßen. Das starke Anwachsen binnen kürzester Zeit – 65 Prozent innerhalb eines Jahres – ist für den Vorsitzenden des Bundestags-Innenausschusses, Ansgar Heveling (CDU), „alarmierend“. Insbesondere müsse die Gefahr in den Blick genommen werden, „dass sich größere Netzwerke und feste Strukturen formieren könnten“, sagte er unserer Zeitung. „Hier sind Polizei und Verfassungsschutz gefordert“, fügte Heveling hinzu.
900 „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“ gelten als Rechtsextremisten. Noch immer verfügen rund 1100 Menschen in der Szene legal über Waffen, was Heveling für „besonders kritisch“ hält. Hier müssten die Behörden konsequent einschreiten und Waffenscheine entziehen. Verfassungsschützer Maaßen stellte klar, „unser besonderes Augenmerk liegt auf den Rechtsextremisten und den Personen, die eine waffenrechtliche Erlaubnis besitzen“.
Der Anstieg der Zahlen geht auch darauf zurück, dass die Behörden in Bund und Ländern seit Ende 2016 die „Reichsbürger“ verstärkt unter die Lupe nehmen. Darüber hinaus beruht ein Teil mutmaßlich auf „Nachahmungseffekten“, wie es in Sicherheitskreisen heißt. Im Klartext: auf Trittbrettfahrern.
In Nordrhein-Westfalen wird die Szene auf rund 2200 Menschen geschätzt. Noch stärker ist sie nur noch in Bayern und Baden-Württemberg verankert. Wie das NRW-Innenministerium unserer Zeitung mitteilte, gibt es im Land 143 Reichsbürger mit einem Waffenschein, darunter seien 70 so genannte kleine Waffenscheine, also solche für Schreckschusspistolen.
2017 wurde „Reichsbürgern“ an Rhein und Ruhr 76 Mal der Waffenschein wieder abgenommen – nur in 30 Fällen ist der Entzug allerdings auch schon endgültig. Denn: „Reichsbürger“, die ansonsten den Staat nicht anerkennen und der Justiz die Legitimität absprechen, sind vielfach vor Gericht gezogen.