Essen. . NRW stellt Städten zwei Milliarden Euro für neue Schulklos und moderne Klassenzimmer bereit. Revier-Rathäuser verteidigen schleppenden Anlauf.

Marode Schultoiletten, kaputte Fenster und nur langsame Internetverbindungen – an den rund 5300 öffentlichen Schulen in Nordrhein-Westfalen ist der Sanierungsstau gewaltig. Auf rund sieben Milliarden Euro schätzt die Bildungsgewerkschaft GEW den Modernisierungsbedarf in den Gebäuden und beruft sich damit auf eine Studie der KfW-Bank. Um den Städten unter die Arme zu greifen, rief die frühere rot-grüne Landesregierung das Förderprogramm „Gute Schule 2020“ mit einem Gesamtvolumen von insgesamt zwei Milliarden Euro für 2017 bis 2020 ins Leben. Eine erste Zwischenbilanz des Rettungsprogramms fällt indes ernüchternd aus.

Im vergangenen Jahr haben die NRW-Städte nicht einmal die Hälfte der ihnen zur Verfügung stehenden Mittel auch genutzt. Nach Angaben des Schulministeriums sind 222,3 Millionen Euro geflossen – bereit standen den Kommunen mit der ersten Fördermarge rund 500 Millionen Euro. Das Ruhrgebiet fällt durch besondere Zurückhaltung auf: Die Stadt Duisburg etwa hat die ihr zur Verfügung stehenden 21,6 Millionen Euro komplett liegenlassen, Gelsenkirchen rief von 12,3 nur 1,5 Millionen ab.

Eine Quote, die Schulministerin Yvonne Gebauer zumindest aufhorchen lässt. Die FDP-Politikerin erklärte am Mittwoch, sie wolle mit den Städten mögliche Schwierigkeiten des Programms klären. Stefan Behlau, NRW-Vorsitzender des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE) dringt auf schnelles Handeln: „Der Sanierungsstau ist untragbar. Marode Schulen verhindern qualitativen Unterricht.“

Ministerin kündigt Dialog an

Bei „Gute Schule 2020“ erhalten die Städte ihre Landesunterstützung nicht direkt, sondern über Darlehen der NRW-Bank. Den jährlichen Kreditrahmen je Kommune hat das Land festgelegt. Faustregel: Arme große Städte erhalten mehr als kleine reiche Gemeinden. Auch deshalb stehen allein den elf kreisfreien Revierstädten rund eine Milliarde Euro zur Verfügung. Die Darlehen sind für die Städte kostenlos: Tilgung und mögliche Zinsen übernimmt das Land.

Gelsenkirchens Schuldezernentin Annette Berg wehrte am Mittwoch den Eindruck ab, dass diese Hilfen nicht benötigt würden. „Ganz im Gegenteil, wir als Stadt Gelsenkirchen haben eine lange Liste von großen Maßnahmen und nötigen Sanierungen.“ Sie übersteige den Gesamtförderrahmen von rund 49 Millionen Euro sogar um 13 Millionen. Gerade größere Planungen brauchten aber mehr Vorlauf, etwa weil sie europaweit ausgeschrieben werden müssten. „Wir haben 2017 Planungen vorbereitet und nur das sofort umgesetzt, was ohne großen Vorlauf ging“, so Berg. 1,5 Millionen Euro wurden ins digitale Klassenzimmer investiert.

Schwer lastet auf den Städten zudem der Personalmangel. Duisburg etwa musste zunächst 18 neue Stellen für technisches Fachpersonal einrichten, um dem Vorhabenvolumen Herr zu werden. Der Markt sei wegen des derzeitigen Baubooms und der Vielzahl parallel laufender Förderprogramme aber regelrecht abgegrast, heißt es aus den Revier-Rathäusern. Essen arbeitet an einer Lösung aus dieser Misere: Die Stadt plant, mit Hochschulen zu kooperieren, um Studierende direkt anzusprechen.

Gelder verfallen zunächst nicht

Die NRW-Bank betont, dass die Fördergelder von 2017 nicht einfach verfallen: Sie können bis November 2018 abgerufen werden. Erst dann sei überhaupt eine Bewertung des Programms möglich, so eine Sprecherin. „Wir sind überzeugt, dass die zur Verfügung stehenden Kontingente vollständig abgerufen werden und die Gespräche, die wir mit den Kommunen führen, bestätigen das.“

Die kommunale Spitzenverbände loben das Förderprogramm. Der Sanierungsstau sei damit aber nicht aufgehoben. Der NRW-Städtetag forderte nach Auslaufen des Programms eine dauerhafte Unterstützung der Städte zur Instandhaltung, Sanierung und Modernisierung der Schulen. Gelsenkirchens Dezernentin Berg ergänzte: „Wir brauchen eine auskömmliche Finanzierung auf Strecke.“

>> KÖLN: KEINE LUFTSCHLÖSSER

Anders als viele Revierstädte hat Köln die vollen 25 Millionen Euro Fördergeld abgerufen. Dort hält man den Verwaltungsaufwand für „Gute Schule 2020“ bewusst klein. „Wir planen keine Großprojekte, sondern vor allem kleinere Maßnahmen, die den Schulen sofort helfen. Zum Teil können das die Schulen selbst in Auftrag geben“, heißt es in der Stadtverwaltung. „Luftschlösser“ bremsten nur die Sanierung der Schulen.