Berlin. Alte Backsteinmauern, ausgetretene Treppen, unverputzte Wände, knarziger Parkettboden. Früher wurde hier unter anderem Holz bearbeitet. Heute gibt es in der „Fabrik 23“ in Berlin-Wedding vieles, was Großstädter anspricht, Kunst, Yoga, Crossfit. Es ist ein Ort, wie ihn die Grünen mögen, die sich als moderne, weltoffene, nachhaltige Partei verstehen. Und ein Ort, der viel über den Zustand der Ökopartei aussagt, die sich am Montag hier zur Vorstandsklausur trifft. Es sind Tage des Abschieds, aber auch Tage des Aufbruchs.

Alte Backsteinmauern, ausgetretene Treppen, unverputzte Wände, knarziger Parkettboden. Früher wurde hier unter anderem Holz bearbeitet. Heute gibt es in der „Fabrik 23“ in Berlin-Wedding vieles, was Großstädter anspricht, Kunst, Yoga, Crossfit. Es ist ein Ort, wie ihn die Grünen mögen, die sich als moderne, weltoffene, nachhaltige Partei verstehen. Und ein Ort, der viel über den Zustand der Ökopartei aussagt, die sich am Montag hier zur Vorstandsklausur trifft. Es sind Tage des Abschieds, aber auch Tage des Aufbruchs.

Die Grünen tun etwas, was CDU, SPD und Linken in dieser Legislaturperiode womöglich noch bevorsteht: Sie stellen sich an der Parteispitze komplett neu auf. Am Morgen wurde überraschend bekannt, dass die Parteilinke Anja Piel, bisher Fraktionschefin im niedersächsischen Landtag, als Parteichefin kandidiert. Daraufhin zog Simone Peter, ebenfalls Parteilinke und seit vier Jahren Parteichefin, ihre erneute Bewerbung zurück. Ihr Co-Chef Cem Özdemir hatte bereits angekündigt, nach neun Jahren an der Spitze nicht mehr anzutreten. An seine Stelle rückt wahrscheinlich der schleswig-holsteinische Umweltminister Robert Habeck. Als Nachfolgerin von Simone Peter bewirbt sich außerdem die Bundestagsabgeordnete Annalena Baerbock, sie kommt wie Özdemir und Habeck aus dem bürgerlichen Flügel. Bisher wurden die Doppelspitzen immer mit einem Realo und einem Linken besetzt. Das könnte sich nun ändern, falls Habeck und Baerbock gewählt werden. So die nicht unkomplizierte Lage vor dem Parteitag Ende Januar in Hannover.

In der „Fabrik 23“ stehen Simone Peter und Cem Özdemir wahrscheinlich zum letzten Mal in ihrem Leben auf einer Pressekonferenz nebeneinander. Sie werden sich nicht vermissen. Vier Jahren haben die Saarländerin und der anatolische Schwabe, wie er sich so gern nennt, die Partei geführt – und selten hat eine Doppelspitze so schlecht funktioniert. Manche sprechen von Sprachlosigkeit, andere von Feindschaft. Von der Spannung zwischen ihnen ist auch heute etwas zu spüren, zum Beispiel, als sie nach ihren Erfolgen und Misserfolgen an der Parteispitze gefragt werden. Da lacht Peter und fragt Özdemir: „Sollen wir ein Buch zusammen schreiben?“ Er lächelt gequält.

Die Grünen sind in einer seltsamen Lage. Bis Ende November verhandelten sie über ein Jamika-Bündnis, nach dem Aus drohen ihnen nun weitere vier Jahre in der Opposition. „Die Grünen sind die Jamaika-Sondierungen sehr geschickt angegangen“, sagt Jürgen Falter, Politikwissenschaftler an der Universität Mainz, dieser Zeitung. „Sie haben Maximalforderungen aufgestellt, haben sich dann kompromissfähig und staatstragend gezeigt, allerdings ohne ihre Seele zu verlieren.“ Das wird ihnen vom Wähler gedankt. In den Umfragen steht die Partei bei elf bis zwölf Prozent, so gut wie lange nicht. Bei der Bundestagswahl erreichte sie nur 8,9 Prozent. Ein Grund für die guten Werte sieht Manfred Güllner, Chef des Umfrage-Instituts Forsa, in den Jamaika-Sondierungen. „Wir sehen jetzt zum ersten Mal in den Umfragen eine Wählerwanderung von der FDP zu den Grünen“, sagt Güllner dieser Zeitung. „Einige Wähler sind von den Liberalen enttäuscht und wandern jetzt zu den staatstragenden, verantwortungsbewussten, kompromissfähigen Grünen.“

Baerbock gehörte zumJamaika-Team

Fraglich ist, ob sich dieser Trend mit Anja Piel fortsetzen könnte. Die 52-Jährige kommt aus Niedersachsen, einem linken Landesverband. Bundespolitisch ist sie bisher nicht in Erscheinung getreten. Als Managerin der Landtagsfraktion sammelte sie Regierungserfahrung, dann wurde Rot-Grün im Oktober abgewählt. Die Ökopartei fuhr schwere Verluste ein, was ihr bei der Bewerbung um den Parteivorsitz schaden dürfte. Schon länger wurde in der Partei gemutmaßt, dass sie antreten könnte. Seltsam ist nur der späte Zeitpunkt der Kandidatur – in zweieinhalb Wochen beginnt schon der Parteitag. Womöglich hat sie der linke Flügel, der mit einer krachenden Niederlage von Peter gegen Baerbock gerechnet hat, noch kurzfristig überredet.

Piel sagt aber auch: „Ich stehe mit meiner Person dafür, dass ich für beide Flügel antrete. Anders funktioniert es nicht.“ Baerbock und Habeck wollen Flügel-Denken sogar überwinden. Die Vorsicht ist begründet. „Zwei Realos an der Spitze könnte die Partei an den Rand der Spaltung bringen“, sagt Falter.

Piels Gegnerin Annalena Baerbock, 37 Jahre alt, Bundestagsabgeordnete, Nachwuchshoffnung der Grünen, gehörte zum Jamaika-Sondierungsteam. In der Partei, auch auf dem linken Flügel, wird damit gerechnet, dass sie sich gegen Piel durchsetzt. Und Habeck erinnert daran, dass die Partei womöglich auch von zwei Frauen geführt werden könnte: „Wenn die Partei findet, dass zwei Frauen zueinander passen, und das zu meinen Lasten geht, dann ist die Kandidatur trotzdem für mich richtig gewesen.“