Essen. . Seit Juli 2017 gilt eine Anmeldepflicht für Prostituierte. Bisher sind dem nur rund 2000 Sexarbeiter nachgekommen. Zwangs-Outing wird befürchtet.
Das seit einem halben Jahr geltende Prostituiertenschutzgesetz droht in Nordrhein-Westfalen seine Wirkung zu verfehlen. Bis zum Jahresende 2017 sollten sich Prostituierte bei den Ordnungsämtern anmelden und von den Gesundheitsämtern beraten lassen. Nach Angaben des NRW-Gleichstellungsministeriums haben bis Mitte Dezember aber nur rund 2000 Frauen und Männer ihre Tätigkeit im Rotlichtmilieu angezeigt – das ist ein Bruchteil aller Sexarbeiter in NRW, deren Anzahl auf bis zu 42 000 geschätzt wird.
Das Prostituiertenschutzgesetz wurde im Oktober 2016 verabschiedet, es trat im Juli 2017 in Kraft. Kernpunkt ist die neue Anmeldepflicht für Sexarbeiter. Mit ihr soll auch eine verbindliche Beratung über Steuerpflicht, Krankenversicherung und Gesundheitsfragen einhergehen. Bisher haben Beratungsstellen solche Angebote auf freiwilliger Basis gemacht. Mit dem neuen Gesetz erhalten Prostituierte von den Städten eine Bescheinigung mit Bild und Namen, den sogenannten „Hurenpass“. Eine Übergangsfrist endete am 31. Dezember.
Halbjährige Übergangsfrist beendet
Auch aus großen Revier-Städten wird nur eine geringe Resonanz gemeldet. In Essen lagen Mitte Dezember 60 Anmeldungen bei schätzungsweise 1000 Sexarbeitern vor. In Dortmund waren es 159 von rund 750. Das Land vermutet dahinter die Sorge der Betroffenen, dass ihre Tätigkeit öffentlich würde. Prostituierte hielten ihre Sexarbeit oft vor Familie und Freunden geheim. In Ländern wie Rumänien ist sie zudem verboten. Bei der Anmeldung in den Städten würden aber Bescheinigungen ausgestellt, die erpressbar machten, „wenn sie in die falschen Hände fallen“, heißt es vom Gleichstellungsministerium. Grund für eine Reform ist das offenbar nicht: „Es müssen erst einmal hinreichend Erfahrungen gesammelt werden.“ Das Gesetz sieht eine Evaluation ab 2022 vor.
Beratungsstellen fordern seine sofortige Abschaffung. „Dieses unüberlegte Gesetz sorgt für mehr Verunsicherung bei den Betroffenen, als dass es sie schützt“, kritisiert Astrid Gabb, Leiterin des Bochumer Vereins Madonna.
Sie berichtet von überforderten Behörden, die mit der für sie neuen Beratung von oft fremdsprachigen Prostituierten alleingelassen würden. Auch gebe es erste Fälle, in denen Familien etwa in Rumänien durch deutsche Behördenschreiben von der geheimgehaltenen Sexarbeit eines Angehörigen erfuhren. „Die Folge ist ein Vertrauensverlust auch gegenüber den Beratungsstellen. Solche Umwälzungen habe ich noch nicht erlebt“, sagt Gabb, seit 2001 bei Madonna tätig. Das Dilemma: Bordellbetreiber forderten die Vorlage des Hurenpasses – wer ihn nicht habe, drohe in „die Grauzone des Gewerbes“ abzurutschen, so Gabb. Prostituierten ohne Pass drohe zudem ein Bußgeld – laut Gesetz bis zu 1000 Euro.
Revierstädte mussten infolge des Gesetzes ihr Personal aufstocken. Essen hat vier neue Stellen eingerichtet, in Dortmund sind es zwei, in Duisburg ebenfalls vier. Dort wird auch der hohe Verwaltungsaufwand durch eine weitere neue Regel beklagt: Wer ein Bordell oder einen Escort-Service betreiben will, braucht eine Betriebserlaubnis. Städte müssen Betriebskonzepte und Betreiber überprüfen. Zehn neue Anträge lagen dazu in Duisburg zuletzt vor. NRW hat den Städten zum 31. März Hilfen in Höhe von 6,4 Millionen Euro rückwirkend für 2017 zugesagt.
>> KONDOMPFLICHT FÜR FREIER
Mit dem neuen Prostituiertenschutzgesetz gilt auch eine Kondompflicht: Wer als Freier dagegen verstößt, muss bis zu 50 000 Euro Strafe zahlen.
Prostituierten entstehen bei der Anmeldung in NRW keine Gebühren. Die Erlaubnis für Prostitutionsbetriebe ist indes gebührenpflichtig.