Über Schnauzer und das Kloster: Yücel schreibt aus der Haft
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Berlin. Seit dem 27. Februar ist der Journalist Yücel in Haft. Zu seinem 300. Tag antwortet er in der „Welt“ auf Briefe, die ihn erreichten.
An diesem Sonntag ist der „Die Welt“-Journalist Deniz Yücel seit 300 Tagen in türkischer Gefangenschaft. Zu diesem unrühmlichen Jubiläum schreibt der Inhaftierte zurück – an die Menschen, die ihm Briefe geschickt haben.
„Heute feiere ich gemeinsam mit meiner wunderbaren Frau Dilek, meiner großartigen Schwester Ilkay, meinen Eltern, meinen Nichten, meinen Anwälten, Kollegen und Freunden den 300. Tag meiner Geiselnahme“, schreibt der Korrespondent in seinem offenen Brief in der „Welt“. „Allzu viel passiert ist in dieser Zeit nicht.“ Noch immer gebe es keine Anklageschrift gegen ihn. Immerhin sei er
Den Anlass wolle er nutzen, um auf einige der vielen Briefe, die ihn erreicht hätten, zu antworten. Selbst Briefe verschicken kann der Journalist nicht. Nur Briefe, die an seine Frau Dilek adressiert sind, kommen auch an. Deswegen antworte er in seinem offenen Brief in der „Welt“, schreibt Yücel.
In den Antworten erzählt er dann aus seinem Alltag, etwa in seiner Antwort an Meike S.: „’Guten Tag’ ist auch dann eine geeignete Anrede, wenn der Empfänger im Gefängnis sitzt. Schließlich gibt es auch hier gute und schlechte Tage. (Beste Tage wo gibt für mich natürlich die Montage. Dann ist Dilek-Tag, wenngleich nur für eine Stunde und meistens hinter Trennscheibe.)“
Fußballclub Leverkusen
An Frédéric antwortet Yücel, er habe sich einen Schnauzbart stehen lassen. „Den Aufsehern gefiel das gut, jedenfalls haben sie das behauptet. Selber trägt keiner von ihnen Schnauzer.“ Diese seien oft jung – und fühlten sich in dem Gefängnis selbst eingesperrt, gefesselt von der Ökonomie.
Sein Fußballclub sei Leverkusen – und Beşiktaş Istanbul, verrät Yücel in seiner Antwort an Manfred S. Und er bedankt sich für das große Free-Deniz-Transparent im Weserstadion.
Flucht ins Kloster
Besonders dankbar ist Yücel auch für anschaulichen Darstellungen von Orten – etwa die des Kloster Fontenay von Markus B. aus Wuppertal. „Dank Ihrer detaillierten Beschreibung dieser alten Abtei und der lieblichen Landschaft, die sie umgibt, konnte ich sehr gut nachvollziehen, weshalb Ihnen zu diesem Ort stets zuerst der Begriff ‘friedlich’ einfällt“.
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Auch für die Beschreibung einer Mühle von Klaus H. ist Yücel dankbar. „du hast das Wirken eurer Mühle nicht nur in technischer Hinsicht präzise, sondern auch mit einer solchen Anschaulichkeit beschrieben, dass ich bei der Lektüre deines Briefes alles hören und riechen konnte“, schreibt der Journalist. „Was für eine Symphonie, dank der ich im Geiste dieser Einöde aus Stahl, Beton und Draht für einige Minuten entfliehen konnte.“ (wck)
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