Essen. Die Landesregierung in NRW streicht die Gelder. Betroffen ist vor allem das Ruhrgebiet. Städtetag: Ohne Hilfe ist der Fahrschein kaum zu halten.

Burkhard Trübenbach geht es nicht einfach ums Busfahren. „Bekannte treffen zu können, mal zu einer kulturellen Veranstaltung zu kommen, wenn du das nicht mehr kannst, dann verblödest du doch“, sagt der 59-jährige Essener. Seit einem schweren Schlaganfall ist der früher selbstständige Informatiker erwerbsunfähig und auf staatliche Hilfe angewiesen.

Weil er trotzdem am gesellschaftlichen Leben teilnehmen will, kauft er sich jeden Monat das Sozialticket – ein vom Land geförderter und dadurch verbilligter Fahrschein, mit dem Bedürftige innerhalb ihrer Stadt Bus und Bahn fahren können. Dass die schwarz-gelbe Landesregierung die Förderung dieses Tickets einstellen will, treibt nicht nur Trübenbach um.

Heftig haben Sozialverbände und die Opposition im Landtag am Donnerstag kritisiert, dass sich CDU und FDP aus dem 2011 von der damals rot-grünen Landesregierung ermöglichten, nahezu flächendeckenden Sozialticket herausziehen will. Die bisherige Fördersumme von 40 Millionen Euro, wird schrittweise abgebaut auf 35, 20 und ab 2020 auf null Euro.

Geld soll stattdessen in Infrastruktur fließen

Mit den Landesgeldern gleichen Verkehrsbetriebe Einnahmeausfälle des im Vergleich zum regulären Monatsticket halb so teuren Fahrschein aus. Es war eine langjährige Forderung der CDU, dass solch eine soziale Ausgabe aber nicht aus dem Budget des Verkehrsministeriums bezahlt werden sollte. Stattdessen solle in die Infrastruktur investiert werden.

Helmut Dedy, Geschäftsführer des Städtetages NRW, sagte voraus, ohne Landeshilfe könnten Verkehrsunternehmen und Kommunen ein Sozialticket nicht in gleicher Qualität sicherstellen. SPD-Chef Michael Groschek mahnte, die CDU müsse sich schämen: „Die Abschaffung des Sozialtickets geschieht auf den Rücken derjenigen, die tagtäglich genug zu kämpfen haben.“

Die Awo warf Schwarz-Gelb gar vor, gerne in Kauf zu nehmen, „in der Öffentlichkeit nicht so oft mit Armut konfrontiert zu werden“. Und Horst Vöge, Landeschef des größten deutschen Sozialverbandes VdK, mahnte, NRW sei in der Pflicht, Bedürftigen eine Form der Mobilität zu ermöglichen.

170 000 VRR-Kunden betroffen

Am stärksten betroffen von der Einsparung ist der Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR). Mit 23 Millionen Euro floss bisher mehr als die Hälfte der NRW-Gelder ins Ruhrgebiet und Rheinland. Knapp 170 000 VRR-Kunden nutzen das 2013 im VRR flächendeckend eingeführte Ticket im Monat. 2016 machten sie damit rund 114 Millionen Fahrten. Für 2018 gilt das Ticket im VRR trotz Einnahmeausfällen von bis zu zweieinhalb Millionen Euro als gesichert.

Spekuliert wird, dass der Preis für das erst im Oktober um 2,25 Euro teurer gewordene Ticket um einen weiteren Euro auf knapp 39 Euro steigen wird. Im Hartz-IV-Regelsatz für Alleinstehende sind rund 26 Euro im Monat für den ÖPNV vorgesehen. Ein Einzelticket für Stadtfahrten kostet derzeit 2,70 Euro. Fahrten zu Bewerbungsgesprächen übernimmt aber das Jobcenter. Wie es ab 2019 mit dem Sozialticket im VRR weitergeht, ist unklar.

Resolution fürs Ticket

Auch innerhalb der CDU wird der Vorstoß der Unions-geführten Landesregierung kritisch gesehen. Vertreter der Ruhr-CDU hatten im Oktober eine Resolution des Ruhrparlaments zum Erhalt des Tickets unterstützt. Der Vorsitzende der CDU-Fraktion im VRR, Frank Heidenreich, sagte am Donnerstag: „Ich hoffe, dass es noch Spielräume gibt, damit es nicht ganz so dramatisch kommt.“

Dass ein Sozialticket ohne Fördergelder kaum zu stemmen ist, zeigt das Beispiel der Stadt Dortmund: Sie musste einst ein Pilotprojekt nach zwei Jahren abbrechen, weil die Einnahmeverluste auf zwölf Millionen Euro gestiegen waren.