Berlin. . Einen Fan hat Kanzlerin Angela Merkel unabhängig vom Ausgang der Jamaika-Sondierungen jedenfalls gewonnen: FDP-Vize Wolfgang Kubicki schwärmt von ihrem „wunderbar trockenen Humor“. Immerhin.
Einen Fan hat Kanzlerin Angela Merkel unabhängig vom Ausgang der Jamaika-Sondierungen jedenfalls gewonnen: FDP-Vize Wolfgang Kubicki schwärmt von ihrem „wunderbar trockenen Humor“. Immerhin.
Ansonsten fällt der CDU-Vorsitzenden und Regierungschefin die Rolle der Moderatorin, ihrem Kanzleramtschef Peter Altmaier die des Hauptvermittlers zu – bei vier entgegengesetzten Parteien keine angenehme Aufgabe. Doch sie kommt dem Regierungsstil der 63 Jahre alten Physikerin entgegen: zuhören, abwägen, Kompromisse finden, ohne zu viel öffentliches Gerede. „Geniale Verhandlungsführung“ nennen es die einen, „abgehoben präsidialer Führungsstil“ die anderen.
Für Merkel geht es persönlich um viel: Die CDU-Vorsitzende will das Bündnis von CDU, CSU, FDP und Grünen unbedingt. Inhaltlich hätte sie schon 2013 gern mit den Grünen regiert. Doch jetzt muss ihr die Viererkoalition den glatten Weg zu einer vierten und womöglich letzten Amtszeit im Kanzleramt ebnen. Ob sie bei möglichen Neuwahlen noch unangefochten an der Spitze der CDU stehen könnte, ist zumindest fraglich.
Denn auch Merkel hat seit dem für die Union enttäuschenden Bundestagswahlergebnis eine murrende Parteibasis im Nacken. Diese hält sich im Gegensatz zu den kleineren Parteien mit Interviewkaskaden und Forderungen zwar während der Sondierungen merklich zurück. Dennoch wird genau beäugt, wo die inhaltlichen Punkte sind, die Merkel für die CDU nach Hause bringt. Es gibt unter den Christdemokraten durchaus die Sorge, wieder vor allem mit „Nichtbotschaften“ in ein Regierungsbündnis zu gehen – so wie man vor vier Jahren in die große Koalition gestartet war: nur mit einem Nein zu neuen Schulden und Steuererhöhungen. Eigene und profilierte Vorhaben setzte vor allem die SPD um.
Der Wirtschaftsflügel der Union drängt deshalb auf eigene Akzente: „Die Union muss sich jetzt auf das Erbe Ludwig Erhards besinnen und Jamaika den ordnungspolitischen Stempel aufdrücken. Am Ende sollte sich die Renaissance der sozialen Marktwirtschaft wie ein roter Faden durch das Regierungsprogramm ziehen“, sagte Carsten Linnemann, Vorsitzender der Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung der CDU/CSU (MIT), dieser Zeitung. Angefangen werden müsse bei den Steuerbeschlüssen, „damit sich private Anstrengung wieder lohnt“. Zudem müsse die Union dafür sorgen, dass die Menschen wieder Vertrauen in den Rechtsstaat gewinnen, auch im Bereich der Flüchtlingspolitik. „Künftig müssen wir unser Asylsystem unmissverständlich auf jene ausrichten, die auch tatsächlich schutzbedürftig sind. Auch das hat etwas mit Ordnungspolitik zu tun.“
Auch CDU-Präsidiumsmitglied Jens Spahn, einer der profiliertesten Merkel-Kritiker in der Partei, hat ein klares Ansinnen: „Wir wollen mehr Polizisten für mehr Sicherheit, eine stärkere Förderung von Familien durch 25 Euro mehr Kindergeld, Investitionen in die Infrastruktur der Zukunft, eine klare Begrenzung der Migration, schnellere Asylverfahren und das konsequente Durchsetzen von Recht“, sagte er dieser Redaktion. Klare Positionen derer in der CDU, die sich einen konservativeren Markenkern wünschen. Und auch die Jugend der Partei hat Wünsche. Der Vorsitzende der Jungen Union (JU), Paul Ziemiak, erinnert an die Wahlversprechen: „Für mich heißt das, keine Politik zulasten der jungen Generation durch neue Schulden oder zusätzliche Rentenleistungen.“
Merkel und ihr Hauptverhandler Altmaier haben sich inhaltlich zu den Verhandlungen bislang nicht geäußert. Die Taktik lautet, niemanden vorzeitig zu verprellen. Die CDU-Chefin strebt für den Abschluss der Sondierungen in der Nacht zu Freitag eine Einigung an, die nicht mehr als zehn Seiten umfassen soll. Diese habe sie sicher schon längst in der Schublade und ziehe sie dann am frühen Freitagmorgen hervor, unkt man bei der FDP und den Grünen. Die Angst, von Merkel am Ende doch über den Tisch gezogen zu werden, schwingt in diesen Bemerkungen durchaus mit.
Die Verhandler haben das Format in ein Beichtstuhlverfahren geändert
Damit es überhaupt zu einem gemeinsamen Papier kommt, hat man für die dritte Runde der Sondierungen in dieser Woche ein neues Format gewählt. Die sechs Verhandlungsführer der Parteien, Merkel und Horst Seehofer für die Union, FDP-Chef Christian Lindner und Vize Kubicki für die FDP sowie Katrin Göring-Eckardt und Cem Özdemir für die Grünen, bitten zu einzelnen Themen nur Fachpolitiker hinzu. Lindner nennt das Vorgehen „Beichtstuhlverfahren“.
Die Aufgabe: das Wichtige herausfiltern. Und dann entweder einen Kompromiss finden oder die Frage auf die eigentlichen Koalitionsverhandlungen verschieben. Denn das Ende der Sondierungen kommt bedrohlich näher.