Düsseldorf/Münster. Für die Zukunft des Islam-Unterrichts an NRW-Schulen könnte ein Urteil aus Münster von großer Bedeutung sein. Übergangslösung läuft 2019 aus.
Es könnte spannend werden für die Zukunft des islamischen Religionsunterrichts: Die beiden Islam-Dachorganisationen Zentralrat der Muslime (ZMD) und Islamrat klagen gegen das Land Nordrhein-Westfalen. Es ist ein Rechtsstreit, der schon Ende 1998 begann und nun am Donnerstag erneut in Münster vor dem Oberverwaltungsgericht landet. Kernfragen: Sind die beiden Kläger Religionsgemeinschaften und kommt ihnen ein Rechtsanspruch zu, bei dem bekenntnisorientierten Unterrichtsfach islamische Religion an NRW-Schulen kräftig mitzugestalten?
Die Realität scheint das Klageverfahren eingeholt zu haben - ein bisschen jedenfalls. Denn das Fach islamischer Religionsunterricht (IRU) gibt es inzwischen in NRW seit 2012, andere Bundesländer folgten. Und in Nordrhein-Westfalen wirken die beiden Kläger bereits über einen Beirat bei der Gestaltung des Fachs mit. Aber: Das Ganze ist nur eine Übergangslösung. Sie läuft Mitte 2019 aus. Was danach kommt, ist ungeklärt.
Wenn das Gericht der Klage stattgibt, hätte das Land weniger Einfluss
Ein Urteil des OVG in dem komplexen Fall schon am Donnerstag gilt als wahrscheinlich. "Der Senat beabsichtigt, an dem Tag eine Entscheidung zu treffen", sagt Gerichtssprecherin Gudrun Dahme. Sollten die Kläger gewinnen, könnten die Folgen des Urteils weitreichend sein. "Wenn die Kläger gewinnen, dann käme am Ende ein anderer islamischer Religionsunterricht heraus als der, den wir jetzt haben." Dahme geht davon aus, dass der Religionsunterricht "dann nach den Grundsätzen der Kläger" erteilt werden müsste. "Das bedeutet, dass das Land nicht so starke Einfluss- und Mitspracherechte hätte, wie es nach dem derzeitigen Beiratsmodell der Fall ist.
"Die Auswirkung des Urteils sei noch nicht abzusehen, meint das Düsseldorfer Schulministerium. "Die staatliche Ausbildung der Lehrer für den islamischen Religionsunterricht bleibt in jedem Fall unberührt", sagt ein Sprecher. Hochspannend könne es dagegen bei den beiden zentralen Feldern religiöse Unterrichtsinhalte und Lehrerlaubnis werden - also welche Lehrkräfte den Schülern welche Inhalte vermitteln. Offen ist, in welche Richtung es ginge, sollten die Kläger als Religionsgemeinschaften aufgewertet und ihre schon jetzt erheblichen Mitwirkungsrechte ausgeweitet werden.
19.400 Schüler haben islamischen Religionsunterricht
Burhan Kisici, Vorsitzender des Islamrats, rechnet mit einer solchen Anerkennung als Religionsgemeinschaft. Was will sein Verband? "Uns ist vor allem Rechtssicherheit nach 2019 wichtig." Es müsse festgelegt werden, wie man nach der Übergangsphase "langfristig zusammenarbeitet und dass man dafür die entsprechenden Strukturen schafft", betont Kisici, der selbst Mitglied im Beirat ist.
Die Nachfrage muslimischer Eltern sei riesig. Aktuell erhalten 19.400 muslimische Jungen und Mädchen in NRW an 234 Schulen IRU. Der ZMD-Vorsitzende Aiman Mazyek findet, das gemeinsame Agieren im Beirat habe bisher funktioniert. Er hält Gespräche mit der Regierung, wie es ab Sommer 2019 weitergehen soll, für dringend geboten. Im achtköpfigen Beirat stellen vier Islamverbände - ZMD, Islamrat, VIKZ und Ditib - je einen Vertreter, die vier anderen Mitglieder bestimmt das Schulministerium. Die Türkisch Islamische Union Ditib lässt ihren Sitz auf Druck der Politik ruhen, nachdem Spitzelvorwürfe gegen Ditib-Imame bekannt worden waren.
Gericht muss auch Verfassungstreue prüfen
Das Bundesverwaltungsgericht hatte den Fall 2005 an das OVG zurückverwiesen. Kläger und Beklagte hatten zunächst vereinbart, das Verfahren ruhen zu lassen, doch jetzt wollen ZMD und Islamrat lieber eine Klärung
Zum OVG-Auftrag gehört allerdings auch die Prüfung: Sind die Kläger verfassungstreu? Das Land hatte Bedenken geäußert und dabei etwa auf das Islamrat-Mitglied Milli Görüs verwiesen. Die Organisation Milli Görüs wird weiter vom Bundesverfassungsschutz beobachtet, auch wenn ihr im Bericht von 2016 Reformen und "schwächer werdender Extremismusbezug" bescheinigt werden. Sollte das Gericht Zweifel an der Verfassungstreue der Kläger äußern, wären sie als Partner des Staats wohl tabu. (dpa)